Berichte von 08/2022

Montag, 01.08.2022

Vor Kitilää / Rovaniemi - 180 (4370) km

WETTER - sonnig - trocken - windstill 

Heute abend muss es wiedermal ein richtiger Zeltplatz sein und den gibt es nur in Rovaniemi. Was 180 km harte Arbeit bedeutet, glücklicherweise auf so eintöniger Strecke, dass ich nur selten abgelenkt werde. Ich fahre die ganze Strecke parallel zum "Ounasjoki", dem längsten Fluss Finnlands. Er ist aber meist durch Wald verdeckt. So bekommt man ihn nur zu Gesicht, wenn man ihn mal überquert. Dort habe ich dann auch Pausen eingelegt und den Blick auf den Fluss genossen.

Die Bebauungen sind immer noch spärlich. Im übrigen fast immer von der Straße zurückgesetzt und vom Wald verdeckt. Eigentlich weiß man nicht, wo da überall gebaut ist. Wiederum verführt die zunehmende Bebauung und vor allem die oft hübsche Gestaltung der Gärten und Höfe - wenn sie mal direkt einsichtig sind - sich wie in Mitteleuropa zu fühlen. Dabei ist immer noch das Hinterland über viele km weit unberührte, nordische  Landschaft.

Und die Rentiere erinnern weiter daran, dass man durch Lappland reist. Immer wieder sind sie neben und auf der Straße anzutreffen, oft unschlüssig und dadurch auch unberechenbar in ihrem Verhalten, weshalb das immer auch bedeutet, dass ich abbremsen und eher vorsichtig passieren muss.

Viel mehr bringt der Tag nicht. Spät bin ich in Rovaniemi und mache einen Umweg ins Zentrum. Zwar alles nach 1970 bis heute gebaut, aber ich mag es. Es hat (wesentlich mehr) Flair, als das grundsätzlich ähnliche Zentrum in Alta. Woran es liegt, kann ich nicht sagen. 

Und über den Fluss zum Campingplatz führt eine recht neue und schöne Hängebrücke. 

Der Campingplatz ist am Ufer gegenüber der Stadt. Er ist sehr teuer und unterm Durchschnitt. Was übrigens meine anfängliche Euphorie (Vorschusslorbeeren) gegenüber Finnland dämpft - zusammen mit der Tatsache, dass regelmäßig mein grüßendes Kopfnicken unerwidert bleibt 

Ich bin wieder südlich des Polarkreises. Das ist sicher der Erwähnung wert. Nach dem Start der Rückfahrt am Nordkap und später der Rückkehr in die EURO-Zone an der finnischen Grenze ein weiterer Step "nach Hause". Den Polarkreis quert man wenige km nördlich von Rovaniemi (wiedermal erstaunlich, dass das die Höhe von Nordisland ist, wo sich alles ganz sicher viel rauer darbietet) 

Ja und dann merke ich noch am Abend im Zelt, dass es dunkler wird und ich entweder meinen Rhythmus wieder anpassen oder die Stirnlampe rausholen muss. Logisch eigentlich, aber  überraschend und unerwartet.

Dienstag, 02.08.2022

Rovaniemi / Ranua - 80 (4410) km

WETTER - wechselhaft

Uta hat heute Geburtstag und muss ohne uns feiern. Joachim ist ja auch verreist. 

Wegen des für den frühen Nachmittag angekündigten Gewitters und Starkregens bin ich früh gestartet und habe die 80 km in einem Rutsch abgefahren. Die letzten 10 km dann doch im Regenschauer, der sich zeitlich nicht an die Vorhersage gehalten hat.

Wie gestern schon ist die Strecke unspektakulär und eintönig.

Durch die frühe Ankunft auf dem Zeltplatz ist Zeit für Telefonate mit den Eltern und natürlich mit Uta, die ich ein wenig von den Vorbereitungen für ihre abendliche Geburtstagsparty abhalte.

Wegen des Regens verbringe ich viel Zeit in der Zeltplatzküche. Von einem deutschen Rentnerehepaar erfahre ich viel über ihre Reisen in ihrem kleinen Van und sie sind auch angenehm neugierig. Alle Finnen, die ein und aus gehen, tun das dagegen leider ohne Gruß .... - aber vielleicht sehe ich inzwischen so rumplig aus ...

Andererseits sprechen viele Finnen kein Englisch. So dass schon dadurch die Kontaktaufnahme zu Fremden erschwert ist. Mir geht es ein paarmal so an der Straße, dass ich jemanden sehe und ansprechen will (weil ich eine Frage habe), aber kein Kontakt möglich ist.

Naja. Irgendwie bekommt mein Bild von den Finnen einige Kratzer. Nicht zuletzt bemerke ich viele übergewichtige Kinder, obwohl im Supermarkt das Angebot ausgewogener erscheint als in  Norwegen.

Mal sehen, was die nächsten Tage bringen.

Mittwoch, 03.08.2022

Ranua / Irgendwo - 140 (4590) km

WETTER - Sonne und Regen im Wechsel - wenig Wind

Es sind nun mit 4500 km über 3/4 der geplanten Tour vorbei. Unglaublich - vor allem, wenn ich daran denke, wie unendlich viel vor mir zu liegen schien, als ich die ersten 1000 km "feierte".

Auf der Karte habe ich gestern mit 10 km Umweg eine Nebenstraße entdeckt, die sich nicht als spannend, aber doch deutlich angenehmer herausstellt, als die Hauptstraße der letzten 2 Tage. 

Nicht nur am Wald, der sich immer ein wenig unterschiedlich präsentiert, ist man auf den Nebenstraßen näher dran. Hier sind auch die Höfe und Häuser nicht so versteckt von der Straße bebaut. Da schaue ich auch gern hin. Wie bisher gerade auch die Gärten hübsch gepflegt.

Ab und an auch wieder Weideflächen, zum Teil gemäht mit den abgemagerten weißen Rundballen. Nur weiß ich immer noch nicht, wo die Kühe zu finden sind. Viele Höfe haben einen (Einheits-) Stall, bei denen ich aber sicher bin, dass dort keine Kühe mehr gehalten werden. Ich vermute, dass es ab und an einen größeren Bauern / Stall gibt, der die Ballen von den Weiden abnimmt und verfüttert.

Übrigens auch heute noch viele Rentiere an der Straße. 

Am Abend findet sich endlich mal einer der vielgepriesenen Rastplätze, die es in Finnland überall gibt. Hier sehr schön am See gelegen eine überdachte Grillstelle, Holzvorräte und ein Klohäuschen. Es ist schon ein Zelt vor Ort. Ein junger Mann aus Radebeul auf dem Weg zum Nordkap - und weiter nach Kap Hoorn (Südafrika).

Er spendiert den Rest Fisch, den er von einem Einheimischen geschenkt bekam und dann ist ganz gut schwafeln. 

Mich lädt der Grillplatz ein, garnicht erst das Zelt aufzubauen, sondern auf der überdachten Bank zu schlafen. Nach 3 Stunden gebe ich den Kampf gegen die Mücken auf und baue doch mein Zelt auf. Der Kollege hatte mich gewarnt. Und es ist keine taghelle Nacht mehr, wie noch vor 1 Woche weiter im Norden, das macht den Zeltaufbau etwas kompliziert.

Donnerstag, 04.08.2022

Irgendwo / Oulusee - 120 (4710) km

WETTER - bedeckt - wenig Regen und Wind

Heute morgen ist leider das zweite Mal eine Zeltstange gebrochen. Das erste Mal ist es vor Inari passiert. Womit die 2 Reparaturhülsen, die ich dabei habe, nun aufgebraucht sind. War ein 200-Euro-Zelt doch zu preiswert? Ansonsten kann ich nicht meckern. Die Schlaufen, in denen die Stangen laufen, scheinen schlechtes Material zu sein. Sie bleichen schon aus und wirken verbraucht (nach 1 Jahr), während die eigentliche Zeltbahn wie neu ist. Komisch. 

Und ich wollte noch nachtragen, dass ich zwar in Finnland bisher keinen Bären und keiner Kreuzotter begegnet bin, obwohl vor beidem "gewarnt" wird. Dagegen hatte ich in Südnorwegen mal eine eher kleine Kreuzotter mitten auf der Straße.

Nach einer ersten Tageshälfte mit Wald, Wald, Wald und mittags wieder einem urigen Kiosk an einer Kreuzung, die ich inzwischen gern für eine Kaffee-Kleingebäck-Pause einplane, bin ich endlich im Seengebiet angekommen. Erst ein paar kleine Seen (für finnische Verhältnisse), an einem wieder ein Grillplatz, nur leider ist noch nicht Abend und einiges zu tun.

Aber am Abend dann der Campingplatz am richtig großen Oulusee. Das andere Ufer schon noch erkennbar, aber nur noch als schmaler dunkler Streifen. Und am Zeltplatz mit schönem Sandstrand. Wie Ostsee. Ich möchte am liebsten morgen noch hier bleiben und ziehe es wirklich in Erwägung. Aber tags drauf ist das Wetter nicht so, dass es sich lohnen würde. Schade.

In der Zeltplatzküche heute eine Familie aus Litauen. Sie sprechen gemixt  litauisch und russisch und da ich nur das Russisch verstehe, denke ich zuerst, es sind Russen und habe meine Vorbehalte. Aber ein neutrales "where do you come from" klärt die Sache schnell und unverfänglich.

Beim Abendbroteinkauf die Campingplatzküche im Hinterkopf, habe ich mich mal für Kartoffeln mit Quark und Tomaten und Zwiebeln entschieden. Kartoffeln kochen würde auf meinem Kocher zuviel Gas verbrauchen, gibt es also sonst nicht. Dazu ein Staropramen - wenn's mir im Supermarkt schon über'n Weg läuft.

Und Flugs ist der Abend schon wieder vorbei. 

 

Freitag, 05.08.2022

Oulusee / Kiuruvesi - 130 (4840) km

WETTER - von allem was

Zuerst noch eine klare Empfehlung für den Zeltplatz am Oulusee (oben noch ein Foto vom See): klein, einfach aber gut, sehr nett und tolle Lage. Also, wenn mal jemand hier unterwegs ist ...

Ich mache tatsächlich keinen Pausentag. Bei dem angekündigten Wettermix wäre es schade um den Tag. Ich könnte es nicht genießen. 

Mich nimmt das mental ein wenig mit und zwar nicht erst heute: es sind eine ganze Menge Häuser und Höfe zu sehen, die dem Verfall preisgeben sind. Die Landschaft wird zum Abend hin offener, mehr Weideflächen. Auch erste Felder mit Getreide. Und je mehr bebaut ist, umso mehr verlassene Höfe sind leider zu sehen. Aber vielleicht überbewerte ich das. Es ist auch viel neu gebaut. Es ist eher ein Zeichen des Wandels als des Verfalls.

Auch sind auf den meisten Höfen die kleinen Ställe nicht mehr in Nutzung, dafür gibt es offensichtlich den Trend, dass ein großer Hof/ Bauer die Flächen bewirtschaftet. Als Ostdeutscher kann ich mit dieser Art "effizienter" Landwirtschaft ganz gut leben und freue mich eher, wenn ich beim Radeln das Gefühl bekomme, dass die Landwirtschaft hier funktioniert. 

Meine Route habe ich geändert und fahre 30 km östlicher als geplant nach Süden. Das schlechte Wetter soll sich im Westen austoben. Es funktioniert ganz gut und ich habe keine starken Schauer und kein Gewitter. (Stimmt nicht ganz. In Pyhäntä gibt es einen ordentlichen Wolkenbruch als ich gerade meine Pause in einem Supermarktcafe mache. Ich bln dankbar, dass der mich nicht auf dem Rad erwischt hat.)

In Kiuruvesi gibt es den Campingplatz nicht, denn ich anvisiert habe, und mein Wasser ist alle. Ich muss gegen 22 Uhr nochmal einen recht distanziert wirkenden Familienvater rausklingeln und um Wasser bitten (es war noch Licht im Haus). Was mir nicht leicht fällt.

5 km weiter zelte ich wild an einem Waldrand an einem Weizenfeld. Gut windgeschützt - mit meiner Zeltstange fühle ich mich nicht ganz sicher und in den Bäumen rauscht es ordentlich 

 

Samstag, 06.08.2022

Kiuruvesi / Viitasaari - 140 (4980) km

WETTER - von allem was

Landschaftlich komme ich durch meine wetterbedingte Ostvariante viel mehr in das Gebiet der größeren Seen. Ich hätte das sonst verpasst! Und da ich vom Fahren durch den Wald inzwischen genug habe, sind die Seen die Höhepunkte beim Radeln dieser Tage. 

In Pielavesi mache ich in der Pizzeria am See meine tägliche Kaffeepause. Eine Finnin spricht mich an und wir unterhalten uns eine Weile. Das geht gut, da sie perfekt Deutsch spricht. Sie ist ungefähr 60 Jahre, hat in der Schweiz gelebt und jetzt ist sie im Winter auf Malta und im Sommer in Finnland. Ihre Großeltern hatten auch einen großen Hof, dessen landwirtschaftliche Flächen inzwischen an einen anderen Bauern verkauft sind und den Hof vermietet der Cousin von Helsinki aus recht lukrativ für Seminare und kleine Konferenzen. Ich hatte ihr meine Beobachtungen geschildert. 

Am späten Nachmittag ist mal wieder ein Abschnitt auf einer größeren Straße nötig. An einer Stelle führt Sie über eine baumlose Anhöhe und gibt einen ungewöhnlich weiten Blick übers Land frei. Andererseits bestätigt sie wieder, dass zum Radfahren die kleinen Straßen interessanter sind. Mir fällt zum Beispiel auf, dass auf den 40 km fast keine direkte Zufahrt zu einem Grundstück oder Gehöft existiert. Und ich schaue doch zur Abwechslung gern in die gepflegten Gärten und Höfe rein.

Mein Zeltplatz liegt etwas außerhalb der kleinen Stadt Viitasaari, die auf einem schmalen Landstreifen zwischen 2 Seen liegt. Meine Erwartung an ein nettes Uferpromenadencafe werden leider enttäuscht. Samstag gegen 18 Uhr ist hier nichts (mehr?) los und alles schon geschlossen. Vermutliche haben die Finnen da was Besseres vor. 

Oder ihnen ist ihr privater Seeblick irgendwo im nirgendwo am Samstag lieber. Das ist gut denkbar.

Auf dem Zeltplatz (in der Küche) wieder ein netter Kontakt. Ein Paar aus Estland. Beide um die 60 Jahre. Unterwegs mit einem Kleinbus mit Dachzelt. Ein eher turmartiges Gebilde war das (fertig aufgebaut). Und die Nacht war sehr stürmisch. Sie haben schlecht geschlafen. 

 

Sonntag, 07.08.2022

Viitasaari / Keuruu - 140 (5120) km

WETTER - wolkig - trocken - Nachmittag abflauender Gegenwind

Das war wohl der Tag in Finnland, der von mir das meiste abverlangt und im Gegenzug nicht viel zu bieten hatte. Aufs Sognefjell rauf war es sicher noch anstrengender, aber mit Belohnung eben.

Den ganzen Morgen tobt der Wind in den Baumwipfeln über dem Zeltplatz und aus dem Wetterbericht weiß ich, dass das kein Rückenwind sein wird.

Und ich fühle mich etwas schwach. Wenn ich mich so ansehe, habe ich das Gefühl, dass aus meinem Körper keine Energie mehr rauszuholen ist. Ich muss genügend in mich reinschaufeln und wohl kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich 3 Bananen auf einmal verdrücke oder mal ne halbe Schokolade. Zu Hause wird sich zeigen, wie eine Umstellung ins normale Leben funktioniert.

Und wieder nur Wald vor mir und heute auch 40 km ohne Asphalt. 

Ich starte sehr träge und demotiviert. Den Tag überstehe ich dann doch irgendwie. Der Wind wird weniger, es ist etwas sonnig. Aber insgesamt quäle ich mich durch.

Zusammen mit den vielen eintönigen km der Vortage - im Prinzip seit Kitilää (vielleicht vor 1 Woche), dem Regen, dem Auf und Ab der Straße ohne Aussicht auf eine Aussicht und was sonst noch sich angesammelt hat, bin ich heute Abend mit Finnland erstmal "fertig"

Das wiegt auch mancher See und mancher wirklich preiswerter Kaffee samt Munkki (zusammen manchmal schon bei 3 EUR) nicht auf. Heute Abend jedenfalls nicht.

Die im Internet ausgesuchte Zeltstelle funktioniert auch nicht. Sie liegt nahe der Stadt und ist von der örtlichen Jugend lautstark besetzt. Ist ja auch okay, ich nehme dann eben den richtigen Campingplatz - 5 km weiter. Mit wieder 15 EUR ist das in Finnland angenehm preiswert.

Montag, 08.08.2022

Keuruu / Murole - 100 (5220) km

WETTER - sonnig - kleine Schauer - etwas Gegenwind

 

Rückblickend (ich schreibe das kurz vor Turku) mochte Finnland wohl nicht so in Erinnerung bleiben, wie ich gestern geschrieben habe. 

Für die Finnen selbst würde ich inzwischen meine Einschätzungen auch ein gutes Stück anpassen. Viele Finnen sprechen einfach kein Englisch, das macht sie zurückhaltend. Aber ich hatte einzelne Begegnungen, wo ich interessiert angesprochen und auch mal eine Übernachtung angeboten wurde. Tendenziell würde ich sagen, dass es hier im Süden einfacher ist. Zumal hier mehr Menschen leben, auf den Straßen mehr los ist oder man im Kaffee, zB an der Tankstelle, immer auch Leute, meist Arbeiter, Pause machen und quatschen. Ich verstehe nichts, bin aber mehr "im Leben drin" als die Wochen vorher im Norden. 

Aber das sind schon Eindrücke der folgenden Tage. 

Ab heute ist erstmal 1 Woche Sonne angesagt. Leider dreht der Wind endgültig, so dass ich beim Rest - noch etwa 300 km - immer mit Gegenwind (mehr oder weniger) zu tun haben werde. 

Außerdem sind durch die Nähe zu Tampere auch die von mir favorisierten Nebenstraßen gut ausgebaut und gut fahrbar. 

Südlich von Keuruu gibt es in einem kleinen Städtchen am See die Gelegenheit für einen kurzen Besuch in einer Kunstgalerie. Für das Kunstmuseum 5 km weiter habe ich nicht die nötige Ruhe - ich weil morgen in Tampere sein und dafür noch was "vorlegen". 

Der Rest des Tages wie immer, mit dem Unterschied, dass Straße und Wetter sich von der besten Seite zeigen und man an den Siedlungen merkt, dass man in den Speckgürtel von Tampere eintaucht. Alles etwas nobler.

Eigentlich zu früh dann die Einladung zur Nacht: eine wunderschöne Badestelle. Ich kann mich noch nicht drauf einlassen. Ich wollte doch (schon den ganzen Tag) anlässlich Almuts und Mechthilds Geburtstag noch einen guten Kaffee trinken. Also fahre ich noch paar km in den vielversprechenden Ort Murole Kanava. Dort kommt das Linienboot Tampere-Virrat samstags und donnerstags durch. Es ist ein kurzer Kanal zwischen 2 großen Seen mit einer Schleuse und einer Drehbrücke. Tatsächlich gibt es dort einiges an Gastronomie und eine Marina. Neben den 2 Linienbooten in der Woche scheint an privatem Bootsverkehr einiges los zu sein. Nur leider nicht heute. Für mich also ein Umweg ohne Kaffeegenuss, aber ich bin froh, den Ort gesehen zu haben. Er scheint übrigens schon früher wichtig gewesen zu sein - an der Straße finden sich mehrere schicke, gediegene, sehr herrschaftliche Holzhäuser in (nicht tot-) restauriertem Zustand. Schön!

Ich muss von Murole Kanaba wieder ein paar km zurück und entscheide mich dafür, den Tag an der Badestelle zu beenden. Nahe davon ist noch die Kirche von Murole. Ein schöner Holzbau. Leider verschlossen. Und der Friedhof, den ich erwähnen muss, weil er mich mit seiner sehr gepflegten Kriegsgräberstelle vom 2. Weltkrieg wiedermal in unsere deutsche Geschichte zurückwirft.

Der Abend an der Badestelle ist ein Genuss. Es gibt keine Mücken (mehr), dafür werden Abend und Nacht inzwischen recht kühl und am Morgen ist das Zelt von innen klatschnass.

Am Abend kommt noch ein Finne vorbei, der ein kurzes Bad nimmt, samt Haare waschen. Beim Frühstück auf dem Steg darf ich einer Dame um die 55 Jahre beim morgendlichen Bad zuschauen.

Ansonsten ist es aber ein ruhiger Platz. Am Morgen liegt über dem See lange der Nebel.

Dienstag, 09.08.2022

Murole / Tampere - 80 (5280) km

WETTER - sonnig - wolkenlos - windstill

 

Tampere ist der nächste Versuch Finnlands, mich noch zu versöhnen. 

Nach einer wie immer anstrengende  Stadteinfahrt, die kein Ende nehmen will und hier erstmal noch zum 5 km in anderer Richtung außerhalb liegenden Zeltplatz führt, lasse ich mich ab spätem Nachmittag von einer agilen, modernen und interessanten Stadt überraschen. 

Ich fahre mit den Rad "rein", stelle es im Zentrum ab und spaziere durch die Stadt. Die Fahrt in die Stadt durch herrliche Parkanlagen entlang des Seeufers. Hier also auch im öffentlichen Bereich die Gartenbaukunst und das Händchen dafür, wie ich es vielfach bei den privaten Häusern gesehen habe. Und das trifft auch in der Stadt auf die Gestaltung der öffentlichen Räume zu.

Ich laufe nur durch die Stadt. Museen anschauen mag ich nicht. Bin ich auch wieder zu spät. Obwohl hier im Gegensatz zu den ländlichen Gebieten auch am Abend noch was los ist. 

Neben den Grünanlagen fällt mir auf, dass es wenig ganz alte Stadt gibt. Mehr beherrschen die Stadt Industrieanlagen von ca 1900 (plus /minus), in schöner Backsteinarchitektur, direkt am Kanal, der im Zentrum durch die Stadt führt. Die Industrieanlagen sind inzwischen zu Museen etc restauriert und umgenutzt und gestalterisch anspruchsvoll auch erweitert worden. 

Am Ende des Spaziergangs komme ich im Norden  der Stadt in einem alten Hafen an, der wie in vielen Städten zum hochwertigen Wohngebiet mit netten Hochhäusern (wieder ansprechende Freiflächen) umgebaut wird. An einer Landspitze finde ich meinen heutigen ultimativen Kaffeeplatz. Eine kleine modern gestaltete Imbissbude auf einer Holzterrasse am Ufer, mit tollem Seeblick, sehr leckerem Apfelkuchen und bequemen Holzliegesesseln.

Der Stadtrundgang vervollständigt sich mit dem Besuch eines erhöht liegenden Parks mit Seeblick, einer Pizzeria und einem Abstecher zur Nokiaarena (Heimat des städtischen und erfolgreichen Eishockeyklubs). Dann wird es dunkel, ja leider, ich gewöhne mich nur schwer daran - wie mag es den Einheimischen vor allem im Norden gehen, die diesen Wechsel viel einschneidender empfinden müssen?

Weiterhin heute:

Mein Lager am Lenker knarzt. In einer Werkstatt die Auskunft, das sei nicht einfach und schnell zu reparieren und evtl geht es noch 800 km bis Dresden. Ich werde es bei meinen 2 Ruhetagen in Danzig nochmal in einer Werkstatt probieren, kann mir aber auch vorstellen, dass man so noch bis Dresden kommt.

Ich wollte vor Tampere mal einen Mittagskaffee trinken. Ein Kaffeeausschank an einem Parkplatz fand ich erstaunlich (bezeichnend?). Alles nett gemacht, aber einfach an der Straße, während 50 m weiter eine Brücke über eine schöne Flusstelle führt, was ein wirklich wunderbarer Platz zum Sitzen und Kaffeetrinken wäre. 

Auf dem Zeltplatz, meinem "Platz der Begegnungen" heute eine Familie aus Frankreich (Zentralmassiv). 4 Kinder zwischen 5 und 13 Jahren. Mit dem Rad 6 Wochen durch Schweden und Finnland. Als die Kinder abends im Bett sind, tauschen wir uns ein wenig aus. Englisch geht gut. Und am Morgen sitze ich bei meinen Frühstück neben den zeichnenden Kindern. Alle zeichnen Landkarten oder Hauspläne. Der Vater war mal Geografielehrer, meint er erklärend (jetzt Krankenpfleger und Sozialarbeiter an einem Gymnasium).

Und eine wichtige Notiz für die nächste Tour:

Auf einigen Seen fahren Nord-Süd regelmäßig Bootslinien. Es wäre eine geniale Ergänzung gewesen, mal einen Tag 70 km Boot zu fahren. Schon um die Landschaft zu genießen, auch um mal ausruhen zu können. Aber die Boote fahren nur an zwei Wochentagen oder gar nur an einigen  ausgewählten Tagen im Sommer. Man muss also die gesamte Radreise um diese Bootslinien herum planen. Was natürlich Theorie ist ;-) 

Ich hatte hier mal gar kein Glück. Es passte überhaupt nicht in meinen Plan und je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr bedaure ich das bzw den Umstand, dass ich mir dann nicht 2 oder 3 Tage mehr Zeit gelassen oder irgendwo Pause gemacht habe.

 

Mittwoch, 10.08.2022

Tampere / Oripää - 120 (5400) km

WETTER - sonnig - trocken - mäßiger Gegenwind

Ergänzungen, die ich nicht vergessen möchte:

Vor 3 Tagen überholt mich am Abend ein Geländewagen mit Mtorrad auf einem Anhänger. Im Flow hatte ich glücklicherweise keine Zeit für meine üblichen Vorurteile. Hinter der nächsten Kurve wartet er auf mich in einer Parkbucht und fragt mich nach meiner Tour usw. Schließlich bietet er mir eine Übernachtung im großen Garten seines Cousins, ca 3 km zurück, an. Eine schöne Begegnung. Das Angebot habe ich nicht angenommen, da ich noch ein Stück näher nach Tampere heran wollte.

Und in Tampere hat sich die von mir andernorts kritisierte Stadteinfahrt als Glücksfall herausgestellt. In einem Vorort steht da zufällig eine wunderbare, neu gebaute, recht große Kirche. An sich sehr schön als Bauwerk, war es dann auch erquicklich, den sehr jungen Pastor zu treffen und bisschen über Luther, Sachsen und gemeinsame Kirchenlieder zu sprechen. Die Kirche selbst hat mich noch mehr angesprochen, als die modernen Kathedralen in Tromsø und Alta, weil sie vom Anspruch etwas "normaler" wirkte und trotzdem einen starken Eindruck hinterließ.  Mit ein paar Einschränkungen, wo ich gestalterische und künstlerische Elemente nicht nachvollziehen konnte bzw störend fand. Vor allem war hinter dem Altar kein Kreuz an der Wand, sondern ein überlebensgroßes Jesus-Gesicht halbtransparent auf Milchglas mit merkwürdig ausdruckslosem, weder leidendem noch freundlichem Gesichtsausdruck schaut er jedem Besucher direkt in die Augen. Für mich recht unangenehm und vor allem distanzierend anstatt Beziehung herstellend. Schade!

Und durch den Kopf gehen mir ab und an schon Optimierungen für eine zweite Tour zum Nordkap  ;-)

Zum Beispiel nur Rauffahren und dann Rückflug oder mindestens 1000 km in Finnland mit dem Bus abkürzen. Auf jeden Fall mit einer Bootsfahrt vor Tampere. Und evtl mit dem Zug rein nach Trondheim / Kopenhagen oder anderen Großstädten (die Stadteinfahrten sind einfach unattraktiv und sehr anstrengend).

Ja. Von Tampere nach Turku, an der SW-Ecke von Finnland, sind es nun noch 2 Tage und es mischen sich Erleichterung, dass ich es durch Finnland geschafft habe, mit Wehmut über den Abschied von Skandinavien als das eigentliche Reiseziel.

Der Gegenwind kostet mich die 17,00 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Die werde ich in Finnland nicht mehr schaffen. Was für mich daran aber wichtiger ist: ich weiß jetzt nochmal deutlicher, was für ein Glück ich mit dem Wind hatte und dass die Windverhältnisse - bei mir - die Reisegeschwindigkeit und vor allem die Motivation extrem beeinflussen. Mindestens wie Dauerregen, vielleicht sogar stärker. Hier hülfe (??? ;-) ein Partner, mit dem man abwechselnd dem Wind die Stirn bieten bzw im Wimdschatten fahren könnte.

Landschaftlich wie gehabt, bei schönstem Wetter und immer intensiverer Landwirtschaft. Es scheint die Kornkammer Finnlands zu sein. Eine Freude ist es, die großen gepflegten Bauernhöfe zu sehen. Meine Vermutung, dass in den fast fensterlosen, künstlich belüfteten Ställen Schweinefleisch "produziert" wird, dämpft die Freude aber auch wieder. Im Gegensatz zur Milchviehhaltung hört bei mir bei "industrieller" Schweinehaltung der Spaß auf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da auch nur ein klein wenig Lebensqualität für die Tiere (und Schweine sollen ja recht intelligent sein - so wie unsere Jugend, die auch immer weniger Tageslicht benötigt? ) möglich ist, lasse mich aber gern belehren.

Nachmittag mache ich mal eine Hamburger-Pause. Die weibliche Bedienung in meinem Alter ist sehr sehr freundlich, jawohl! Leider spricht sie kein Englisch. Trotzdem fühle ich mich wohl und auf der Terrasse ist es schon dicht gedrängt mit einheimischen Männern wo ich mich einfach dazwischen zwänge, dem Plausch lausche und am Ende von einem der Jüngeren auf englisch noch etwas ausgefragt werde.

10 km vor dem geplanten Tagesschluss komme ich plötzlich auf eine Hochebene, höchstens 30 m über den umliegenden Kornfeldern, uns radeln unvermittelt wieder durch einen Wald, wie er im Norden von Finnland typisch war: grobsteiniger bzw felsige Boden, von Flechten und Moosen und Heidekraut überzogen und die Kiefern wieder kleinwüchsiger und auch am unteren Stammbereich.mit Flechten bewachsen. Ich beschließe einfach hier zu übernachten, weil das für.mich ein schöner Abschied ist. 

Zu allem Überfluss steht an der Stelle, an der ich anhalte, ca 50 m im Wald ein Grillplatz mit Feuerstelle. Also volle Finnlanddröhnung an diesem Abend mit kleinem Feuer und - es gibt hier keine Mücken - Schlafen auf der breiten Sitzbank der Grillplatzüberdachung.

Am nächsten Morgen merke ich, dass der Platz zu einem Freizeitparcour der besonderen Art gehört, wie ich sie schon mehrmals gesehen habe: ein Frisbeeplatz. Ähnlich wie auf einem Golfplatz, aber im Wald, sind hier Frisbeewürfe zu absolvieren. Von festgelegten Standpunkten aus sind unterschiedlich weit entfernte Einwurfkörbe (Durchmesser ca 50 cm / Wurfweite zB 30 m) zu treffen. Für mich völlig unvorstellbar, dass das funktionieren soll.

Donnerstag, 11.08.2022

Oripää / Turku Zeltplatz - 70 km (5470) km

WETTER - sonnig - trocken - mäßiger Gegenwind

 

Wetter, und Landschaft wie gehabt.

Ich kämpfe gegen den Wind, der nach meinem Mittagskaffee an einer Tankstelle (Tee plus Munkki zu unter 4 EUR, da habe ich gleich doppelt zugeschlagen und beim Blog-Schreiben bestimmt 2 Stunden ausgeruht) deutlich abschwächte.

Durch die Pause ist die Ankunft in Turku spät und keine Stadtbesichitgung mehr drin. Also nur Durchfahren und seeseitig auf eine lange Halbinsel wieder raus auf den stadtnächsten Zeltplatz. Zum Zentrum 15 km entfernt, ist nicht daran zu denken, am Abend nochmal "reinzufahren" (es gäbe sogar eine Buslinie direkt vom Zeltplatz ins Zentrum). Aber morgen geht die Fähre erst 20 Uhr - da habe ich noch Zeit für die Stadt.

Zum Zeltplatz gehört ein Strand, also gibt es statt Stadtrundgang ein Bad im Abendlicht.

Turku ist für mich der Abschied von Skandinavien. Und gefühlt ein erstes Ende der Reise, so wie in Oslo (später auch nochmal - anders - in Trondheim) wie ein zweiter Start war. Das ging mir beim Radeln mehrfach durch den Kopf und hat mich mal motiviert, reinzutreten in die Pedalen, aber ab und an auch traurig gemacht. Dann bin ich betrübt und langsam dahergeradelt und hab die Seele etwas baumeln lassen.

Freitag, 12.08.2022

Turku Fährterminal Silja Linen - 5500 km

WETTER - sonnig heiter trocken - Wind egal

An der Fähre stehen ist für mich wie am Flughafen. Ich wollte ergänzen " aber ohne schlechtes Gewissen ", aber ich bin nach längerer Internetrecherche nicht sicher. Über den CO2-Ausstoß der großen Ostseefähren ist nichts rauszubekommen. Vielleicht nicht ohne Grund.

Am Terminal bin ich aber erstmal ganz im Fährfieber. Leider kein anderer Radfahrer, mit dem ich das teilen kann. Es geht übers Meer, in ein anderes Land und wegen der Meerüberfahrt auch oft in eine etwas andere Welt, eine andere Kultur. Es ist keine simple Grenzüberquerung. 

In Turku legt also gerade meine "Baltic Princess" an und in 1 Stunde geht es ab durch den Schärengarten nach Stockholm. In einer 4er Innenkabine - das wird weniger ein Spaß, aber ich werde mich einfach lange an Deck rumtreiben. 

Turku ist wie Tampere eine wirklich tolle Stadt. Etwas größer noch und mit dem Plus der Hafenstadt. Aber vorweg: von Kopenhagen war ich auf der Hinreise erschrocken, wie überfüllt die Stadt war. Hier in Turku tritt man sich noch lange nicht auf die Füße und das macht es zusätzlich sympathisch und vermutlich noch authentisch. 

Programmpunkt Eins war die Ökumenische Kunstkapelle Turku (etwas außerhalb von Turku). Ein sehr beeindruckender schlichter Raum aus Holz. Gern mal selbst googeln oder bei Wikipedia nachschauen (dort ist ein wenig verzerrtes realistisches Innenraumfoto zu finden).

Nur ein richtiges Kreuz an der Altarwand fehlte mir. Ich fühlte mich nicht wir in einer Kirche, sondern wie in einem Meditationsraum. Und ich glaube, dass die Kapelle auch keine richtige Gemeinde hat, das spürt man leider. 

Zweitens muss ich wieder in einer anderen Stadtecke in einem Copyladen (gibt in Turku davon nicht so viele wie in der Dresdner Neustadt) die Fährtickets ausdrucken. Die Fähre nach Polen akzeptiert keinen digitalen Nachweis und in Stockholm ist mir das für einen Samstag zu riskant.

Drittens noch ins Kunstmuseum, aber auf dem Weg dorthin komme ich am Sibeliusmuseum vorbei. Na gut, dann keine Kunst sondern Musik. Als Sibeliusfan muss ich das Museum besuchen, zumal es als modernes Bauwerk ebenfalls meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Ein schöner Stahl-Beton-Pavillon, vermutlich aus den 90ern.

Das Bauwerk hält, was es auf den ersten Blick versprochen hat, vom Museumsinhalt bin ich eher enttäuscht. Ich kann sicher aufgrund der Sprachbarriere nur beschränkt den Inhalt verstehen, aber es sind nur wenige Fakten zu Sibelius und noch einiges zu diversen ausgewählten, zum Teil exotischen Musikinstrumenten.

Bleibt noch Zeit für Einkäufe - das Rad mit Gepäck einfach vor den Läden in der Fußgängerzone stehen zu lassen ist mit nicht einerlei, zumindest die Tasche mit Kamera und Geld nehme ich immer mit - und ein letztes Mal für "Kahvia ja Munkki" (Kaffee  und eine Art Berliner/Pfannkuchen). Dafür habe ich mir beim Hin- und Herradeln schon eine Imbissbude an einem Brückenpfeiler mit Blick auf die belebte und schöne Uferpromenade ausgesucht. Ich habe Glück, 10 Minuten später macht der Stand zu, es ist schon kurz vor 18 Uhr.

Als ich mein Geschirr zurückstellen und auf Nachfrage dem Munkki bescheinigen, dass er ausgezeichnet war, kann ich mich nicht enthalten, dem Standbetreiber, der schon am zusammenräumen ist, zu erzählen, dass das hier ja mein letztes Mal mit "Kahvia ja Munkki" ist, weil ich mit dem Rad vom Nordkap komme und gleich auf die Fähre gehe. Da rennt er gleich zu seinem Stand  und packt mir noch 3 Munkkis ein und schenkt sie mir. Worauf ich unbedacht verspreche, dass ich wiederkommen werde.

An der wirklich beeindruckenden und vor allem nicht übervollen  Uferpromenade kann ich noch einiges Stück Richtung Fähre spazieren und habe so passenden Ausklang meiner Finnlandreise.

Nun, der wird natürlich erst komplett, als sich die Fähre durch die Schären ihren Weg zur Ostsee sucht. Von weit oben (Sonnendeck ;-) auf die Schären und die Häuser und Boote zu schauen ist wie der Blick auf eine Modelleisenbahn oder aus einem Heißluftballon. Dazu die ungetrübten Abendsonne.

Und eine 4-er Innenkabine nur für mich allein. Was für ein Abschied von Finnland und Skandinavien. 

Im Duty-Free-Shop - ja die Fähre ist leider ein fahrender Einkaufs- und Vergügungstempel - lauerte noch die Verführung eines 2019er argentinischen Malbec (Rotwein). Aber ich habe widerstanden. Wein erst wieder zu Hause auf dem Balkon oder bei unserem Peru-Italiener auf der Rudolf-Leonhard.

Samstag, 13.08.2022

Stockholm / Nynäshamn - 5570 km

WETTER - sonnig heiter - trocken - windstill 

 

6 Uhr früh Ankunft in Stockholm - ca 5 km nördlich vom Stadtzentrum. 17 Uhr Check-in nach Polen ca 60 km südlich in Nynäshamn.

Ich bin nicht der Typ, der da eine Stadtbesichtigung reinquetscht, zumal mit Rad und Gepäck als Handikap. Also wird es eine Fahrt durchs Zentrum in den frühen Tagesstunden, nachdem die mir gestern geschenkten 3 Munkki auf einer Parkbank als Frühstück vertilgt sind. Die Dinger sind lecker aber fettig und die Papertüte trifft schon und muss in den Papierkorb. Hoffentlich wird mir nicht schlecht!

Stockholm Zentrum und Altstadt also gegen 8 Uhr. Alles noch sehr still und ruhig. Gehen die Schweden den Tag ruhiger an? Nun, es ist ja Samstag. 

Das Zentrum liegt mit verschiedenen Inseln und Halbinseln am Wasser, man radelt automatisch die Uferstraßen entlang, eine Seite herrschaftlich bebaut im 19. und 20. Jahrhundert (unter anderem das königliche Theater), andere Seite Stände, Freiluftgastronomie und die Anlegestellen für Boote, (private und Ausflugsboote).

Auf einer eher kleinen, zentralen Insel dann das königliche Schloss und die verwinkelte mittelalterliche Altstadt. Obwohl ich entschieden habe, mir Stockholm für einen späteren Besuch aufzuheben, nehme ich mir hier Zeit zum Spazieren. Der Palast interessiert mich nicht so, die noch menschenleeren Gassen durchstreifen ich aber gern. Sie führen leicht bergan zu einem gemütlichen Platz dessen Nordseite von einem größeren Palais beherrscht wird. Dort ist das Nobelpreismuseum angesiedelt. Selbstverständlich noch geschlossen.

Die Altstadt ist urig und in ihrem Bauzustand erinnert sie entfernt an italienische Altstädte.

In den Erdgeschossen im Wesentlichen Gastronomie, Geschenkläden oder ähnliches. In 2 Stunden also alles voller Touristen. Was mich wieder an meine Anreise durch das taubenschlagähnliche Kopenhagen denken lässt und ich bin froh, dass ich einen Grund habe, mich aus dem Staub zu machen.

Was bei einer Großstadt aber eben viele km Stadtausfahrt bedeutet. Hier zwar auf gut ausgeschildertem Radweg (die Ausschilderung ist annähernd perfekt und führt die 60 km bis Nynäshamn) aber immer parallel (mal näher, mal weiter weg) zu einer breit ausgebauten Hauptstraße.

Da es nicht weit ist, bleiben in Nynäshamn noch 3 Stunden Zeit. Ich hatte die Vermutung, in einem spröden  industrialisierten Hafenstädtchen anzukommen, welches nur als Fähr-Vorort für Stockholm dient, aber erfreulicherweise ist es gemütlich und ich genieße es im Cafe den Nachmittag zu verbringen.

Am Hafenkai laden viele Restaurants zum Essen ein und die Auswahl ist deutlich anspruchsvoller als das "Hamburger-Kebab-Pizza"-Angebot der letzten Finnlandwochen. 

Aus Geiz, Unsicherheit und mangelnder Kenntnis der Sprache und der Gerichtbeschreibungen und auch wieder wegen des Rad- und Gepäck-Handikaps drücke ich mich vor den guten Lokalitäten und belasse es bei Kaffee, Kuchen und Eis. Vielleicht probiere ich mit Uta mal schwedische Küche?

Schließlich sitze ich im "Flugzeugsessel" (heute keine Kabine, aber auch der Sessel ist nur für mich) und es geht wieder raus in die Schären. Ich bin gespannt auf Gdansk und freue mich auf Bernds Gesellschaft ab Dienstagabend.

Auf der Fähre sind noch ein Radler aus Wrocław und ein Radlerpärchen - ebenfalls aus Polen. Sie hatten jeweils in Schweden ihre Runden gedreht. Mir hätte es gefallen, nochmal jemanden zu treffen, der auch am Nordkap war, und sich gegenseitig auszutauschen und vorzuschwärmen (wie das so ist, je weiter weg, desto intensiver werden die Erinnerungen an die schönen Momente und desto mehr verblassen die Tage, die einfach nur anstrengend waren).

Sonntag, 14.08.2022

Danzig (Gdansk) - Ruhetag

WETTER - sonnig - trocken - windstill

18 Stunden sind es auf der Fähre nach Gdansk - eine lange Überfahrt mit Ankunft erst gegen Mittag auf der sogenannten "Westerplatte", ca 10 km vom Zentrum entfernt. Auf halbem Weg zur Stadt liegt ein Zeltplatz. Ein Badeurlauberzeltplatz - groß, trockene Erdböden unter hohen Kiefern, enggedrängt die Zelte und Autos. Nicht so gemütlich, so dass ich schnell mein Zelt aufbaue und dann in die Stadt husche, für die ich auch morgen noch eingeplant habe.

Polen hat langes Wochenende: Montag ist ein hoher kirchlicher Feiertag UND Gdansk hat Jahrmarkt. Die Stadt platzt aus allen Nähten. In allen Straßen der Innenstadt sind Stände aufgebaut und dazwischen drängen sich die Menschen. Das hatte ich so natürlich nicht geplant.

Trotzdem bin ich nicht abgeschreckt und lasse mich ungeordnet und planlos durch die Gassen treiben. Man kann nicht glauben (erst nach einem Blick in die nüchternen Hinterhöfe), dass die Stadt mindestens ähnlich zerstört war, wie Dresden. 

Zusätzlich zum historischen Wiederaufbau nach dem Krieg kommen in den letzten Jahrzehnten eine architektonisch ansprechende Stadtverdichtung und ein Stadtumbau der alten Häfen. Mit Grauen - da wiederhole ich mich - denke ich auch in Gdansk an den Stadtumbau in Dresden zwischen Leipziger und Elbe und was dort an Chancen vertan worden sind. 

Wirklich angesehen habe ich mir nur die Marienkirche. Eine der vielen gotischen Backsteinkirchen der Stadt und eine der größten Backsteinkirchen in Europa. Innen nicht barock verunstaltet, unter anderem mit einem güldenen spätgotischen Altar. Wände, Säulen und Decke komplett weiß getüncht und (fast zu) schmucklos.

Die Kirche betritt man übrigens durch eine Vorhalle, die früher die Kapelle des Heiligen Olaf von Norwegen war, der im Mittelalter ein beliebter Heiliger gewesen ist. Da schließt sich ein Kreis (trotz meiner Vorurteile gegen Olaf den Norweger).

Und die Kirche war bis einige Jahre nach dem 2. Weltkrieg evangelisch. Da die evangelischen Deutschen aber vertrieben und die neuen Danziger eher katholisch waren, wurde die Kirche Mitte des 20..Jahrhunderts wieder katholisch.

Auf dem Vorplatz habe ich mich dann lange bei Wikipedia und im Internet durchgezappt: Danzig / die Hanse / Lech Wałesa / Beginn 2. Weltkrieg hier in Gdansk / polnischer Korridor im Versailller Vertrag als sehr konfliktträchtiges Konstrukt / neues Museum zum 2. Weltkrieg samt der Diskussionen um die momentane politische Beeinflussung ..... 

Danzig ist nicht irgendeine Stadt. Sehr interessant alles.

An sich hatte ich das Handy um einen Restauranttip gebeten - ich war diesbzgl überfordert. Die Stadt ist ein einziges Restaurant. Wenn man sich da reinfindet und Ruhe hat, findet man bestimmt etwas besonderes. Ich habe es dann wiedermal gelassen. Irgendwann mal mit Uta. So prokrastiniere ich mich an manchen Stellen durch den Urlaub.

Bis Abends kreuze ich durch die Straßen und entdecke immer wieder neue Ecken. Vor allem auch am Wasser - an diversen Flüssen und Kanälen. Direkten Kontakt zum Meer hat Gdansk leider nicht, es liegt (heute oder schon immer) einige km im Land. Dann geht es mit dem Rad wieder zum Campingplatz und vorher - schon im Dunkeln - an den breiten Sandstrand, der westlich von den Hafenanlagen illuminiert wird. 

Montag, 15.08.2022

Gdansk / Nördlich Czersk - 110 (5680) km

WETTER - sonnig heiß - trocken - wenig Wind

Ihr Lieben, ich habe die letzten Tage nicht geschrieben. Und ich denke, dass ich eher zusammenfassen werde. Inzwischen ist ja auch Bernd mit dabei und wir sind schon 50 km östlich von Frankfurt und morgen (Freitag) Abend in Guben.

Aber noch zurück zum Montag. Ich hatte mich gegen einen weiteren Tag in Gdansk entschieden und bin in Richtung Heimat,  also West-Süd-West losgeradelt, ins Land hinein. Die auch denkbare Variante, den Ostsee-Radweg zu nehmen, habe ich aus Zeitgründen verworfen. Und nach den Inlanderlebnissen bin ich mit der gewählten Route auch ganz glücklich.

Wie gehabt, zog sich die Großstadtausfahrt hin. Aber alles gut ausgeschildert.

Es ist "Mariä Himmelfahrt" , nur die kleinen Tante-Emma-Läden sind geöffnet. Auf den Straßen ist sehr viel Verkehr. So dass ich einerseits über die seitlichen Radwege froh bin. Andererseits sind die nicht im besten Zustand, auf der Straße fährt es sich deutlich leichter und schneller. 

Straßen mit 2 Ziffern sind wie Bundesstraßen und nicht zum Radfahren geeignet (es sei denn, es existiert ein Radweg). 

Ich benutze Straßen mit 3 Ziffern, normalerweise gut asphaltiert und mit erträglichen Verkehr. 

Polen boomt seit einigen Jahren. Das ist mein Eindruck auch hier im Norden. Gute Straßen, Neubauten jeder Art (Wohnungsbau, Läden, Gewerbe) mit Anspruch ... Besonders fallen mir ab dem ersten Tag auf: kleine Läden allerorten (auch in kleineren Dörfern), viel Gastronomie jeder Preisgruppe, auf dem Land zuweilen traumhafte Sportanlagen.

Außerdem habe ich das Glück, dass meine Idealroute durch landschaftlich reizvolle Gegenden (mit guter touristischer Infrastruktur) führt. Wälder, Seen, (paddelbare) Flüsse ....

Über die Wälder freue ich mich umso mehr, als dass nur wenige Wolken die Tageshitze abmildern. 

Am Abend ein Zeltplatz in Seenähe. Und am See ein gemütliches Gasthaus,  in dem ich zu Abend esse: um Tobias' Geburtstag zu begehen und weil meine Gaskartusche leer ist (Bernd wird morgen eine aus DD mitbringen - hier ist die Beschaffung wesentlich schwerer als in FIN oder NOR). Eine kaschubische Suppe und ein Bigos und ein Bier. Es ist nicht superbillig aber endlich ein Preisniveau, bei dem ich mir nicht lange Gedanken mache, ob ich mir das leisten möchte.

Alles spricht für ein paar schöne Tage quer durch unser Nachbarland, das zumindest bei mir leider noch mit Vorurteilen belegt ist und von dem ich auch landschaftlich nicht viel erwartet habe. 

Dienstag, 16.08.2022

nahe Czersk / westlich Złotow - 140 (5830) km

WETTER  - sonnig heiß - trocken - wenig Wind 

Ich könnte es mir einfach machen: mein polnischer  Zeltplatzvermieter startet heute morgen mit seinem überdimensionalen Caravan nach München zur (jährlichen?) Durchsicht beim Hersteller und würde mich bestimmt mitnehmen - den abgehärmten deutschen Radfahrer, der sich nur das Zelt leisten kann.

Nun, das steht natürlich nicht zur Debatte. Vor allem bin ich am Nachmittag auf einem Bahnhof mitten in Polen mit Bernd verabredet. Endlich nicht mehr allein unterwegs sein - trotzdem komme ich erst gegen 10 Uhr los. 

Bis zum mittleren Nachmittag ist es extrem heiß und leider bleibt gegen Mittag das kleine Seengebiet mit seinen Wäldern hinter mir und viele Kilometer gehen durch offene Landschaft unter der Mittagsglut. An einer Tankstelle verdrücke ich 2 Eis auf einmal und später an einem Tanta-Emma-Laden noch ein Kugeleis.

Die Seen und Wälder in der Region sind touristisch gut erschlossen und es sind viele polnische Urlauber unterwegs. Neben den Seen gibt es den einen oder anderen kleinen Fluss, der zum Paddeln geeignet ist.

Am Nachmittag ziehen glücklicherweise Wolkenauf. Ich bin darüber ganz froh, da ich ordentlich reintreten muss. Bernd wartet in Lipka auf dem Bahnhof und ich bin spät dran, da ich mich mit Zeit und Strecke etwas verkalkuliert habe.

Die Reisegeschwindigkeit erlaubt trotzdem den Blick nach lnks und rechts. So fällt mir - auch an den Folgetagen - auf, dass selnst in mittelgroßen Dörfern überraschend gut, teilweise sogar hochwertig ausgestattete, neue Sportanlagen existieren. Und anders als in Skandinavien sind endlich auf den Straßen und Plätzen den ganzen Tag über Menschen zu sehen und man ist mitten im Leben.

Bernd hat in Lipka eine knappe Stunden warten müssen und empfängt mich trotzdem wunderbar herzlich. Nach so langer Zeit, fast 2 Monaten, endlich wieder einen Freund umarmen ist ein tolles Gefühl. Und an das dazugehörige Bier hat Bernd auch gedacht.

Wir radeln dann erstmal in die nächste Stadt (Zlotow) - entlang einer eher langweiligen Landstraße - und machen dort noch eine Kaffespause in einem empfehlenswerten Lokal. Anspruchsvoll eingerichtet in einem früheren Industrie-Backsteingebäude. Die Kaffeepause hat - ähnlich wie in den letzten Tagen - wieder einen besonderen Hintergrund: heute Johanna hat (runden) Geburtstag. Das möchte ich gern bei Kaffee und Kuchen begehen und sie kurz anrufen. Kaffee und Kuchen erweisen sich als würdig, allerdings bekommen wir Johanna nicht  ans Telefon, so dass es bei einem SMS-Gruß bleibt.

Über Dorfstraßen geht es dann noch ca. 20 km ins abgelegene Hinterland von Zlotow zu einem Biwak-Platz, den wir im Internet gefunden haben. Wieder überrascht mich in einem Sackgassenort eine große Sportanlage in der heute abend die Fußball-Männermannschaft trainiert. Eine zweite Überraschung ist, dass wir nicht über den Fluss zum Biwak kommen: die Brücke liegt innerhalb eines nicht zugänglichen Fabrikgeländes. Aber er gibt es gibt eine zweite Biwakstelle in der Nähe, die wir schnell finden.

Der Fluss ist scheinbar zum Paddeln geeignet, heute ist aber kein Paddler zu sehen. Wir haben den Platz für uns, und es ist ein sehr schöner Rastplatz: an einer leichten Flusskehre auf einem ca 5 m hohen Steilufer im Wald. Das Steilufer ist sandig und gleichzeitig eine schöne Badestelle.

Da fehlt nur noch ein gutes Essen und ein trockener Roter. Ja ja, der Bernd. Hat sich bei Uta schlau gemacht und echt einen Tropfen mitgebracht und dazu auch noch Oliven   :-)   Meinen Vorsatz, den ersten Wein erst wieder in Dresden zu trinken, schiebe ich schnell und ohne langes Bedauern beiseite.

Mittwoch, 17.08.2022

westlich Złotow / südlich Wielen - 100 (5930) km

WETTER - sonnig heiß - trocken - windstill

"Trocken" beinhaltet jedoch, dass uns (auch anderntags) das Glück zuteil wird, durch Gebiete zu fahren, die kurz vorher einen Regenschauer abbekommen haben. So dass wir merklich frische, gereinigte Luft genießen dürfen.

Der Morgen grüßt mit einem Knall, den ich inzwischen kenne: wieder ist eine Zeltstange gebrochen. Da muss eben unterwegs eine weitere Reparaturhülse gekauft werden (meine 2 Hülsen habe ich inzwischen verbraucht). In den Städtchen, die heute am Weg liegen, bleibt die Suche aber ergebnislos. Am Abend entferne ich das gebrochene Segment und nutze das nun verkürzte Gestänge einfach weiter. Das Zelt wirkt etwas "hängig", steht nicht mehr so schön straff und faltenlos, aber so kann es bis nach Hause gehen.

Das "Unglück" gerät aber schnell in den Hintergrund, da wir auch am Morgen das schöne Plätzchen bei Sonne genießen und uns im Fluss frisch machen können. Mit Wein, Bier, Oliven usw ist Bernd ja noch nicht am Ende seiner mitgebrachten Gaben. Eine Picknickdecke verschönert ab jetzt die Mahlzeiten.

Die heutige Fahrradstrecke erweist als "durchwachsen". Es bestätigt sich am Vormittag noch einmal, dass an Straßen mit 2 Ziffern der Verkehr und der nicht vorhandene Randstreifen das Fahrradfahren unmöglich machen. Wir weichen auf Waldwege aus, die aber recht gut fahrbar sind. Nachmittags verbleiben wir auf kleinen aber gut ausgebauten Straßen. Kurze Pflasterstrecken sind einigermaßen zu überstehen, wobei das "polnische" Pflaster im Gegensatz zu den (inzwischen seltenen) Pflasterstraßen in Deutschland viel holpriger und nicht wirklich fahrbar ist und man auf den sandigen Wegrand ausweichen muss.

Bernd bringt meine Nahrungsgewohnheiten durcheinander. Ich habe mich tagsüber wenig mit Essen aufgehalten und von Bananen, Äpfeln und Haferkeksen ernährt. Nun gibt es richtige Pausen mit Brot, Käse, Tomaten ...  Vermutlich ist das die gesündere Variante, so dass ich mich dem nicht verschließe. Allerdings finde ich auch in Polen - wie in Finnland oder Norwegen - eine Haferkekssorte in den Supermärkten und auch den kleineren Tante-Emma-Läden, die zu meiner täglichen Grundausstattung wird und wiederum Bernd schmackhaft machen. Und auch mein nachmittäglicher Gang in ein Cafe bleibt Routine, heute in Trzcianka bei einem Mexikaner.

Als Nachtlager haben wir einen Zeltplatz gefunden, der als Start-Up im Aufbau ist. Samt Start-Up-Kanuservice von einem jungen agilen Polen auf die Beine gestellt, am Rand eines sehr abgelegenen Dorfes (durch das aber eine Haupbahntrasse verläuft) - mitten in einem ausgedehnten Waldgebiet. Der Platz liegt nett auf einer größeren Lichtung an einem kleinen Bach / Fluss, der gerade noch genug Wasser hat, dass der Kanubetrieb funktioniert. Sanitäranlagen simpel aber ausreichend. Es ist noch eine Familie aus Berlin / Hannover da, mit denen es sich gut unterhalten lässt.

Mücken sind übrigens an allen Abenden in Polen kein größeres Problem, nur in Wrcolaw wurde Bernd auf seiner Anreise von den Viechern geplagt.

Donnerstag, 18.08.2022

südlich Wielen / Lubniewice 100 (6030) km

WETTER - sonnig / bewölkt - trocken - windstill

Schade, das im kleinen Flüsschen kein Morgenbad möglich ist. Die Wassertiefe liegt unter 20 cm. Trotzdem ist bei unserer Abfahrt eine Reisegruppe da, die mit Kanus ein Stück den Fluss entlangpaddeln wollen und die Kanus werden auch gerade angeliefert.

Das Dorf liegt mitten in einem ausgedehnten Waldgebiet, das sich nun noch ca 15 km nach Süden erstreckt, bis zum Flusstal der Warthe. Wir radeln frohgemut die asphaltierte "133", die aber nach wenigen km zur Schotterpiste wird. Umdrehen würde einen unverhältnismäßigen Umweg bedeuten und der Schotter ist gut fahrbar. Also weiter nach Süden. Schöner Nadelwald begleitet uns, gute Waldluft. Es könnte ein romantische Abwechslung sein, aber der Weg wird von km zu km schlechter. Unglaublich, dass die Strecke nummeriert ist und zum Hohn steht die "133" sogar ab und an an einem Baumstamm. Es werden reichlich 10 km, die uns hart auf die Probe stellen. Zuletzt als Waschbrettpiste, die nur in Schrittgeschwindigkeit zu bewältigen ist.

Schließlich schaffen wir es doch nach Sierakow. Ein kleines Städtchen an der Warthe, die hier von Ost nach West Richtung Frankfurt (Oder) fließt. Von hier parallel zum Fluss nach Miedzychod (dt. Birnbaum) und weiter nach Skwierzcyna (Schwerin). Miedzychod hat einen kleinen Stadtsee mit Parkanlage und ein paar hübsche Ecken zu bieten, so dass wir am See unsere Mittagspause machen.

Während Skwierzcyna wieder ein Cafe-Besuch vorgesehen ist. Kurz vor Skwierzcyna zeigt das Tacho 6.000 km an, die Zahl, der ich von Anfang an hinterhergefahren bin, in der Annahme, dass das am Ende ungefähr die Gesamtstrecke sein wird. Nun sind die 6.000 km doch etwas früher voll.

Richtig feierlich wird es aber leider nicht. Das vermutlich einzige Cafe in dem nicht ganz kleinen Ort ist ein kleiner Eisausschank. Das Eis ist gut, der Kaffee auch, aber das Ambiente ist bestenfalls als "authentisch" zu bezeichnen.

Der Abend macht die Enttäuschung aber schließlich mehr als wett - knapp 30 km weiter in Lubniewice. Ein größeres Dorf zwischen zwei Seen mit touristischem Ambiente. Der Marktplatz bietet ein gutes Restaurant, auf dessen "Terrasse" sich doch noch die 6.000 km mit einem guten Abendessen an einem lauen Sommerabend gebührend begehen lassen. Und auch die Zeltplatzwahl ist ein Treffer. Schwer zu finden, nicht ausgeschildert ist der Platz doch ein kleines Highlight: recht klein, gute Sanitäranlagen, zum See hin abfallend terrassiert, schön grün, ein Steg am Wasser, 2 Pflaumenbäume, an denen wir uns bedienen können, sehr freundliche Eigentümer ....

Es sind nur noch 300 km bis Dresden, oder andersherum: von Dresden aus zum Paddeln ist es hierher oder an die Warthe nicht weiter als nach Mecklenburg. Nicht auszuschließen, dass wir hier mal wieder vorbeikommen.

Freitag, 19.08.2022

Lubniewice / Lubsko - 120 (6150) km

WETTER - trocken - windstill

Heute abend wollen wir in Deutschland sein. Bei Guben über die Grenze und kurz danach auf einem Zeltplatz übernachten.

Aber wir haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Bis zur Oder sind es erstmal gut 60 km, die auf guter Landstraße durch viel Wald schnell geschafft sind. Dass die Straße nicht über die Oder als Brücke führt, sondern eine kleine Autofähre existiert, merken wir irgendwann an der entsprechenden Ausschilderung. Die Fähre liegt auch brav am Ufer. Dass die Alten Herren auf der Dorfbank uns zu gestikulieren, nehmen wir erstmal nicht zur Kenntnis. Hinter der Fähre noch 30 km bis Guben und dann zum Campingplatz am See ....

Kein Fährmann in Sicht, erkundigen wir uns an der Dorfbank doch mal mit Händen und Füßen nach den Befindlichkeiten. Die Auskunft ist ernüchternd: wegen Niedrigwasser ist der Fährbetrieb eingestellt und die nächste Brücke ist ca. 15 km östlich in Krossen. Von Krossen wiederum führt nur eine 2-Ziffern-Straße nach Guben - zum Radfahren ungeeignet. Wir müssen also einen Umweg machen und die weitere Strecke umplanen - südlicher bei Bad Muskau über die Grenze.

Durch die Oder waten und Rad und Gepäck rübertragen. Es lohnt nicht darüber nachzudenken. Seit Tagen ist die Oder wegen vieler Tonnen toter Fische in den Nachrichten in Polen (und in Deutschland) - das Baden oder sonstige Wassernutzung in der Oder ist verboten. Vielleicht hätten uns die Alten Herren mit dem kleinen Kahn, der an der Fähre angeseilt war, übergesetzt. Wir haben nicht dran gedacht, danach zu fragen. Statt dessen stärken wir uns im Dorfkiosk - und der ist wirklich "authentisch" - mit einem Moskauer Eis (ja, das gibts noch!) und machen uns dann auf nach Krosny (Krossen).

Auf den 15 km nach Krosny führt die Straße parallel zum Odertal etwas über die Höhe mit vermutlich schöner Aussicht auf das südlich gelegene Land. Leider ist es zu diesig. Ebenso liegt Krosny hübsch am Steilufer über der Oder.

Dagegen ist die Ausfahrt aus der Stadt nach Süden für Radfahrer katastrophal und wir sind froh, als wir sie hinter uns haben. Jetzt noch ein Platz irgendwo am Wasser zum Zelt aufschlagen und dann solls gut sein für heute.

Am Bober, der in Krosny in die Oder mündert, versuchen wir es zuerst - das Ufer bietet leider keine guten Möglichkeiten, um zum Baden oder Waschen ans Wasser zu kommen. Wir fahren weiter nach Süden - grob Richtung Bad Muskau. Aber alle in der Karte verzeichneten Bäche, Teiche usw sind ausgetrocknet oder nicht zugänglich. Am letzten See, der in Frage kommt, aber auch nicht mehr da ist, schlagen wir neben dem Waldweg einfach im unsere Zelte auf. Es ist inzwischen stockdunkel, trotzdem gibt es wie jeden Abend noch was Selbstgekochtes.

War nicht so unser Tag.

Samstag, 20.08.2022

Lubsko / Niederuhna - 110 (6260) km

WETTER - bewölkt - Regenschauer / Nieselregen - wenig Wind

Samstag 20.08.22 - exakt 2 Monate nach der Abfahrt in Dresden wird es heute ereignisreich: zurck nach Deutschland und auch gleich nach Uhna und Treffen mit Eltern und Geschwistern. Außerdem liegt Großbrösern auf der Strecke, so dass ich auf dem Hof meiner Großeltern auch kurz einkehren möchte.

Durch die gestrige Wassersuche sind wir peu a peu schon recht weit nach Süden gekommen. Jetzt sind es zur Grenze noch schlappe 20 km, die schnell erledigt sind und auch auf schönen Nebenstraßen entlangführen. Auch wenn ein paar Straßenkatastrophen hinter uns liegen, verlasse ich Polen mit dem Bedürfnis, wiederzukommen. Es gab viele landschaftlich schöne Ecken und eine gute Mischung aus Ursprünglichkeit, Einfachheit und Modernität, die reizvoll für weiter Reisen ist.

Über die Grenze queren wir auf einer kleinen Fußgängerbrücke 15 km nördlich von Bad Muskau, achen ein Grenzfoto und radeln dann den gemütlichen Neißeradweg bis in den berühmten Park von Bad Muskau. Leider schlägt heute das Wetter um und die lange Trockenheit in Sachsen hat ihr Ende. Wir müssen ein paar Regenschauer und ausdauernden Nieselregen ertragen. Nach meinen Regentagen in Skandinavien habe ich das Gefühl, dass mir das nichts anhaben kann, aber ich bin verwöhnt von der letzten Woche und der Regen stört mich dann doch. Zumal es zeitweise auch stark abkühlt.

In Bad Muskau muss ein kurzer Parkbesuch sein, einschl. kleiner Imbiss im Restaurant im Schlossvorwerk samt Erinnerung an die Neiße-Oder-Müritz-Radtour 2014.

Auf der Weiterfahrt folgt gleich noch der Kromlauer Park, in dem mir Bernd die Rakotzbrücke zeigt.

Beide Parks sind mal einen längeren Aufenthalt wert.

Es folgt die Querung der (ehemaligen) Kohleabbaugebiete - vorbei am beeindruckend großen Bärwalder See und südlich von Uhyst sind wir dann endlich in meiner Heimat. Ohne Landkarte durch die Dörfer Richtung Niederuhna.

In Radibor zeige ich Bernd die Ställe und erinnere mich an die Stunden, die ich im LPG-Büro mit Kuh-Karteikarten verbracht habe und in Großbrösern schauen wir auf dem Hof meiner verstorbenen Großeltern vorbei, samt kurzem Plausch mit Tante Rita.

Von da sind es noch 3 km nach Niederuhna, die noch eine Überraschung bereithalten: wir werden in Schmochtitz von meinem Vater in Empfang genommen, unsere Ankunft wird fotografisch festgehalten und wir werden von ihm nach Niederuhna "eskortiert". Weitere Fotostation ist dann das Dorfschild in Niederuhna, an dem uns noch Johanna und Torsten entgegenkommen und schließlich gibt es auf dem Hof die ausgiebige mütterliche Bewirtung für die "ausgehungerten" Reisenden.

Mit unserer Ankunft in Uhna geht für meine Eltern eine Zeit des Bangens vorüber, aber ich merke auch, dass die vormalige Skepsis gegenüber meiner Reise inzwischen einer Mit-Begeisterung gewichen ist und das freut mich sehr.

Sonntag, 21.08.2022

Niederuhna / Dresden - 50 (6310) km

WETTER - leicht bewölkt - trocken - windstill

Die letzten Kilometer radel ich heute gemütlich - zusammen mit Johanna, Torsten und Bernd. Bis Elstra begleitet uns Martin. Wir haben in Uhna üppig und gemütlich gefrühstückt und ich habe einiges an Campingequipment dort gelassen und dafür meine Taschen mit Tomaten, Birnen, Eiern usw gefüllt.

In Dresden angekommen, empfängt uns schon ein von Joachim und Dornheims fertig gedeckter Kaffeetisch und die vor 9 Wochen begonnene Reise endet in einer wunderbaren Runde.

Uta werde ich erst am Dienstag nach ihrer Rückkehr aus Schopfheim treffen und wir werden uns einen schönen Familienabend in unserer kleinen Pizzeria auf der Rudolf-Leonhardt-Straße machen.