Berichte von 06/2022

Mittwoch, 01.06.2022

Dresden - Bald geht es los

Nun habe ich mich doch entschlossen, einen sogenannten BLOG zu meiner Reise einzurichten.

Das passt heute ganz gut, weil ich heute auch die Fähre nach Norwegen gebucht und damit endlich den Start der Reise festgelegt habe. Anders als bisher geplant, ist es nicht die Fähre Kiel-Oslo sondern Kopenhagen-Oslo. Das ist deutlich preiswerter und vor allem haben mich die Fotos der Kieler Fähre mit ihren "barocken", protzigen Salons und Lounges abgestoßen.

Also starte ich mit dem Rad am 19. Juni von Dresden in Richtung Rostock. Dort übersetzen nach Gedser und weiter kurbeln bis Kopenhagen, wo abends am 24. Juni die Fähre nach Oslo ablegen wird.

Freitag, 17.06.2022

Dresden - Feuerchen

WETTER - heiter - trocken - windstill

Danke, dass ihr Freitag zum Feuerchen da wart. Und für alle Wünsche. Vor allem der mehrfache Satz "finde ich gut, dass du das machst" hast mich ermutigt. Und die Einsamkeit, die kommen wird, dürfte mit der Erinnerung an diesen Abend leichter zu nehmen sein. 

Sonntag, 19.06.2022

Dresden / Herzberg - 110 km

WETTER - heiter - trocken - viel Rückenwind

Da war noch viel zu tun vor dem Start   ;-(.

So bin ich erst Sonntag um 10 Uhr losgefahren. Außerdem habe ich unseren Familienabschied vermasselt: Uta und ich hatten viel zu wenig Zeit dafür. Das muss beim nächsten Mal besser werden.

Und der Ärger ging gleich weiter: ich hatte schon nach 1 km Probleme mit sich lösenden  Lowriderbefestigungen. Die Reparatur hat 30 Minuten gebraucht und ganz sicher bin ich mir mit den Schellen nicht. Ich werde mir einige als Ersatz nachbestellen. 

Und kurz hinter Moritzburg auch schon der erste Platten. Bernds Flicken ist also schon verbraucht. Habe bei der Gelegenheit auch noch bemerkt, dass ich Felgenbänder vergessen habe. Muss ich schnell besorgen und nachrüsten.

Auf den ersten 50 km starker Wind von hinten, andererseits wirklich viehische Hitze - das glich sich aus. Abends dann der Wind von vorn.

Erstes Ziel war Moritzburg und dann der Heideberg nördlich von Großenhain. Vom dortigen Aussichsturm wollte ich einen letzten Blick in die Heimat "werfen". Leider war sehr diesige Sicht. Schade!

Überraschungen waren der schöne Radweg an der Elster, den ich 40 km ab Bad Liebenwerda genutzt habe, Herzberg mit einem sehr schönen Markt und großer, beeindruckender Backsteinkirche und eine kleine Dorfkirche in Kleinrossen an der Elster (Foto)

Ach und ich habe noch gewogen: Fahrrad ca 20 kg, ich ca 82 kg und Gepäck ca 35 kg waren zusammen 137 kg. Das muss der Esel jetzt tragen.

Montag, 20.06.2022

Herzberg / Genthin an der Havel - 140 km

WETTER - heiter - trocken - mäßiger Rückenwind

In der Nacht habe ich wegen Gewitter wenig geschlafen. Uta hatte mich vorgewarnt. Der Regenradar hat mir frustrierenderweise gezeigt, dass die Gewitterfronten hinternanderweg von Westen kommend immer über Herzberg zogen. Ich mittendrin. Aber ich hatte einen sicheren Platz - unter dem Deich, mit Eichen in 15 m Entfernung als Blitzableiter. Morgens alles im Zelt gut gepackt und in einer Regenpause von ca 30 Minuten das Zelt abgebaut und gestartet, bin ich erstmal 60 km im mäßigen Regen gefahren. Besser jetzt gleich als später. So konnte ich testen was das Regenzeug aushält und bin ganz zuversichtlich.

Am späten Nachmittag schien aber wieder die Sonne :-)

Wie gestern ein Tag mit vielen kleinen Entdeckungen. So kam ich zwischen Bad Belzig und Ziesar (bekannt aus dem Verkehrsfunk) zufällig mitten im Wald am "Mittelpunkt der DDR" vorbei.

Was sich anscheinend durchziehen wird: ich bin auf allen Arten von Wegen unterwegs. Viele Wald- oder Feldwege unterschiedlichsten Belags. Ģut, dass ich die robusten Mäntel auf den Rädern belassen habe.

In Deutschland bin ich übrigens ohne Karte unterwegs, nur mit Google. Für MapyCZ habe ich auf dem Handy nicht ausreichend Platz schaffen können. So dass ich ab Dänemark "old school" die kopierten Karten nutzen werde, zzgl Google.

Abends in Genthin hatte ich einen Campingplatz erhofft. Es gibt dort keinen, also wieder wild gezeltet.

Dienstag, 21.06.2022

Genthin / Rhuner Berge - 140 km

WETTER - heiter - trocken - mäßiger Rückenwind

Trotz der anständigen 140 km war heute auch Zeit für Kultur. Musste Zeit sein, da einige Highlights auf dem Weg lagen. 

Zuerst die Klosterkirche Jerichow, angeblich älteste romanische Backsteinkirche in Norddeutschland und tatsächlich beeindruckend, v.a. in ihrer Klarheit. Dazu ein ausgesprochen schöner Klostergarten. Für mich aber leider störend: die Art der Präsentation. Ich suche den Zugang und habe das Rad an der Kirche angelehnt,  da spricht mich ein Lautsprecher an, ich solle zum Kassenhaus kommen und dort auch das Rad hinstellen. An der Kasse dann die Damen ... ich wähnte mich in einer 5-Sterne-Hotellobby. Alles leider zu abgehoben und steril.

In Havelberg dann der Dom samt Kreuzgang. Genauso beeindruckende, hier gotische Backsteinbaukunst. Und wieder habe ich etwas zu kritisieren: leider verschandelt ein gewaltig-monströser barocker Altar die Kirche. Das bringt mich in Rage. Die Krönung hier ist aber, dass vor dem barocken "Ding" der originale gotische Altar steht - das sieht vielleicht merkwürdig aus. 

Habelberg als Städtchen ist natürlich auch etwas sehr besonderes und sehr hübsch hergemacht. Es lebt von der Havel und deren Armen, die so die kleine Altstadt zur Insel machen.

Ja und danach reihen sich auf der Tagesstrecke noch 2 Entdeckungen auf: Bad Welzig und Perleberg. Beeindruckende alte Stadtkerne mit wiederum tollen Backsteinkirchen. In Bad Welzig übrigens als ehemalige Pilgerkirche (Phänomen der Bluthostien im Mittelalter).

Also die Ecke ist mal eine Reise wert! Wer kommt mit?

Nicht zuletzt hat mich beglückt, bis Havelberg ein gutes Stück Elbradweg fahren und in Erinnerung an unseren ersten Familienradurlaub an der Elbe - damals ab Magdeburg - schwelgen zu dürfen.

Ein beglückender Tag.

Mittwoch, 22.06.2022

Rhuner Berge / Rostock- 130 km

WETTER - heiter - trocken - windstill

Ein Tag ohne besondere Highlights quer durch Mecklenburg. Ich habe mir auch nicht Zeit für besondere Orte gewährt. In Güstrow wäre ich bei anderer Gelegenheit länger geblieben, aber wir hatten hier schon vor 15 Jahren Urlaub. Ich musste beim Durchfahren kein schlechtes Gewissen haben. Extra einen Abstecher habe ich zum Ferienhaus in Dobbin gemacht, wo wir 3 Seitenschneider vor 15 Jahren mit Mechthild und Simon eine wirklich schöne Woche verbrachten. Stichworte die mir schnell einfallen sind Hasenfahrstuhl, Fingerhäkeln und die Fahrt ins Maisfeld.

Aus meiner Idee, am Abend auf dem Wasserwanderrastplatz in Papendorf vor Rostock zu nächtigen, wurde leider nichts. Der Rastplatz ist nicht zum Zelten vorgesehen. Aber ich fand 4 km weiter ein gutes Plätzchen

Donnerstag, 23.06.2022

Rostock / Køge - 130 km

 WETTER - heiter - trocken - Rückenwind



Nach dem Wilden Zelten ein verrückter Vormittag.

Ich will die Fähre 11.15 Uhr nach Gedser erreichen. Abfahrt ca. 15 km außerhalb vom Rostocker Stadtzentrum oder nur 9 km, wenn man die Fähre über die Warnow nimmt. Diese legt 10.10 Uhr auf der Stadtseite ab. Um 10 Uhr habe ich aber noch einen Termin im Radladen wegen eines Ersatzteils (ich traue den Lowriderklemmen nicht und möchte ein Ersatzpaar dabeihaben). Zwischen Radladen und Fähranleger sind laut Google 6 Minuten.

Ich fahre zeitig in die Stadt, checke vorab die Strecke zwischen Laden und Anleger, finde sogar eine schnellere Route und habe Zeit für ein Cafe-Frühstück mit Blick auf den Wochenmarkt. Dann gehe ich zum Radladen. Neben dem Radladen ist noch ein Rewe und es ist 9.45 Uhr. Der Mann neben mir will auch in den Radladen und passt solange aufs Rad auf. Ich mache den kleinen Einkauf und komme kurz vor 10 Uhr zurück: weder Mann noch Rad sind da. Gähnende Leere. Ich bin total perplex und denke, dass das nun schon das Ende meiner schönen Reise sein könnte. Nach dreimal Umsehen versuche ich es mit der Ladentür. Die ist offen und innen begrüßt den Besucher ein fix und fertig präparierte, wunderschönes 90-Jahre Reiserad. MEIN Rad. Puuuuuh! Der Mann war der Ladeninhaber, das erklärt im Nachhinein alles, der Schock bleibt aber noch eine Weile.

Aber halt, für den Schock ist keine Zeit: Ersatzteil gekauft und durch die Innenstadt zum Anleger der Stadtfähre gedüst.

Als das alles hinter mir ist, genieße ich die kurze Überfahrt und den Blick auf das neue Hafenviertel. Wie in vielen Städten ist auch hier luxuriös und gediegen neu gebaut worden. Ich denke an das Dresdner "Hafenviertel" an der Leipziger, was hier überhaupt nicht mithalten kann. In Dresden ist diesbzgl. mächtig was schief gegangen bzw großes Potential nicht annähernd angemessen genutzt worden.

Auf der Fähre nach Gedser sind einige Radfahrer. Zwei sympathische Pärchen um die 55 und eine sehr "laute" Gruppe, den Shirts nach zu urteilen auf einer organisierten Berlin-Kopenhagen-Tour.

Aber ich kann mich der lauten Gruppe auf der Fähre entziehen: ich setze die Kopfhörer auf und "packe" endlich Joachims Abschiedsgeschenk "aus": er hat mir aufs Handy zwei eigene Klavieraufnahmen aufgespielt. Joschi, Joschi, was für eine Gabe. Wie begeistert ich bin, habe ich dir geschrieben, das gehört nicht hierher. Die Aufnahmen werde ich noch oft hören, eher am Abend - beim Radeln selbst mag ich das nicht. :-)

Die laute Gruppe sehe ich zu Lande nicht wieder, die beiden Pärchen schon. Wir überholen uns gegenseitig. Es sind Leipziger, sie sind mit dem Auto bis Rostock gefahren und radeln jetzt zu ihrem Ferienhaus auf der Insel Møn. Møn liegt auch auf meiner Route, wir machen zusammen noch eine kleine Fährüberfahrt zwischen den Inseln und auf Møn verlasse ich sie um meine restlichen 60 km allein zu kurbeln.

In Gedser waren wir 13 Uhr angekommen, so dass der Radtag spät begann. Um die Oslofähre in Kopenhagen zu schaffen, musste ich heute möglichst weit fahren. Als Ziel habe ich Køge ausgesucht. Das waren dann wieder 130 km

Ich rechnete mit meiner Ankunft auf dem Zeltplatz in Køge gegen 23 Uhr.
Anfangs rauschten wir mit Rückenwind dahin und ich denke, es wird wohl schneller gehen. Aber die km fordern ihren Tribut, es geht erstaunlich viel hoch und runter, so dass ich wirklich erst 23.15 Uhr in Køge mein Zelt aufbaue.

Dänemark ist idyllisch. Vor allem auf dem Land. Fast schon zu idyllisch. Wer wegen Rosamunde-Pilcher-Charme nach Südengland möchte: das muss nicht sein. Vieles findet sich in Dänemark genauso. Das Meer, klar. Aber auch nette Hafenörtchen, schicke, geschmackvolle Häuschen, gediegene Höfe mit weiß gekiesten Alleenzufahrten und wunderschöne Gärten (und alten Damen, die im Abendlicht die Hecke geradezupfen) ... Es fehlen eigentlich nur die Adligen, deren Herrenhäuser und die Hohlwege.

Dir, Vater würden die Bauernhöfe gefallen. Einzeln in der Flur stehend, das zu bebauende Land ringsum - zur Zeit im Wind wogende Gerstenflächen - vermitteln sie den Eindruck, dass es den dänischen Bauern gut geht.

Am Ende des Tages quäle ich mich doch wieder. Die letzten 40 km ziehen sich über eine schnurgerade und gut befahrene Landstraße Richtung Kopenhagen. Ich denke zu spät an die Energiezufuhr und erst 1/2 Stunde nach zwei Honigstullen geht es wieder deutlich besser.

Und es ist Schuljahresschluss. Zumindest für die 10er und 12er. Heute fahren die Absolventen im offenen LKW über Land und machen eine Menge Krach. Ein Imbissverkäufer versuchte mir den Brauch freundlicherweise auf Deutsch zu erklären. Sein Deutsch war deutlich besser, als mein Dänisch

Freitag, 24.06.2022

Køge / Kopenhagen - 45 km

WETTER - heiter - trocken - windstill



Heute morgen stelle ich fest, dass die Zeltgröße optimal ist. Ich wöllte es nicht enger, alles passt rein oder ins Vorzelt. Und das Vorzelt reicht darüberhinaus gut zum Kochen.
Der Starkregen Sonntagnacht war auch ohne Probleme. Wie das Zelt bei Sturm steht, wird sich zeigen. Ich habe extra alle Arten an Heringen dabei.

Nach schnellem Packen und Bezahlen wollte ich Ratz Fatz nach Kopenhagen. Aber auch 45 km ziehen sich - wieder auf der fast schnurgeraden S151 von gestern (mit gestern waren es über 65 km gerade Strecke - das hatte ich zuletzt mit Kathleen in Argentinien 2003).

Auf Kopenhagen habe ich mich gefreut. Ich habe schöne Erinnerungen an die Büroexkursion vor bestimmt 10 Jahren. Aber die Stadt boomt weiter wie verrückt und ist im Zentrum absolut croudy. Mit Rad und Gepäck war ich überfordert, bin am Kai entlang, vorbei an der Meerjungfrau (bzw deren Kopie) einfach nur Richtung Fährterminal gefahren und teilweise spaziert.

Freitag, 24.06.2022

Kopenhagen - Fähre nach Oslo

WETTER - heiter - trocken - windstill



Ich bin also froh, dass ich es rechtzeitig hierher geschafft habe, suche meine Unterlagen raus und checke an einem Automaten ein. Was aber nicht funktioniert. Meine Buchungsnummer ist falsch. Steht sie woanders auf meinem Ausdruck? Beim suchen dann der Schock: ich bin einen Tag zu früh. Oh weh, ich war froh, in dem Wespennest "Kopenhagen" nicht länger sein zu müssen und nun das!

Aber wenn Sonntagskinder reisen geht das so: am Schalter kann ich tatsächlich noch umbuchen. Es ist noch ein Platz frei - in der Hochsaison - und das Umbuchen kostet nichts. Wie sich später herausstellt, habe ich jetzt sogar eine Doppelkabine für mich allein.

Also rein ins Schiffchen. Kabine belegen und hoch aufs obere Deck, wo man über die Stadt schauen kann. Die Fähre ist recht groß, aber doch noch gemütlich - nicht zu vergleichen mit den Protzfotos der Kieler Fähre, die ich u.a. deshalb abgewählt hatte.

Auf der Überfahrt will ich den Blog füllen und paar Nachrichten verschicken. Da habe ich aber nun weniger Glück. Ins WLAN komme ich nicht und Mobilfunk auf See geht natürlich nicht. Daran hatte ich nicht gedacht. Nun, ich kann die Texte ja vorbereiten.

Und in der Kabine muss eine erste Klamottenwäsche sein. Soviel Wechselzeug habe ich ja nicht dabei.

Beim Einchecken war noch ein sehr sympathisches deutsches Radlerpaar, um die 30 Jahre alt. Sonst keine Radfahrer. Wir haben uns leider auf der Fähre aus den Augen verloren.
Auch beim Einchecken bestätigt ein Blick von hinten in den Kleinbus einer deutschen Männergruppe alle Klischees. Voll bis oben hin. Ich stehe vor einer Wand aus Lebensmitteln. Aber kein Alkohol, jedenfalls nicht offensichtlich.

Morgen früh Oslo. Ankunft 10 Uhr. Da ich Oslo auch schon etwas kenne, werde ich hier wohl nicht länger als nötig bleiben - siehe Kopenhagen. Und was soll schon nötig sein? Das neue Munch-Museum oder ein Spaziergang auf dem Operndach?
Wahrscheinlich sehe ich Oper und Museum bei der Fähreinfahrt "von oben" - das kann reichen. Die Bilder von Munch haben wir 2017 im alten Museum gesehen.

Samstag, 25.06.2022

Oslo / Noresund - 120 (840) km / 800 hm

WETTER - leicht bewölkt - paar Tropfen - wenig Rückenwind

Beim Verlassen der Fähre habe ich nochmal Kontakt mit dem Pärchen. Sie radeln über Bergen zu den Lofoten. Wir werden uns vermutlich nicht wiedersehen, die Route ist doch ein Stück anders. 

Die Fähre verlässt aber doch noch eine Radlerin. Sie ist Französin und geschätzt um die 60 Jahre alt. Sie kann kein Englisch, ich kein Französisch .... aber ich erfahre soviel,  dass sie bei Dijon am 10.05. gestartet ist und auch ans Nordkap möchte. Respekt! Auch sie fährt über Bergen und verbringt erst noch 2 Tage in Oslo. Mit Geduld mag sie es schaffen, da es über Bergen weiter ist und ich vermute, dass sie langsamer unterwegs ist, wird sie weiter oben aber in den Spätsommer kommen und das könnte dann problematisch werden. Das ist mir in dem Moment nicht eingefallen. 

Eine sehr sympathische Frau. Ich wünsche ihr viel Glück.

Ich selbst überlege auch noch kurz: einen Tag in Oslo bleiben, oder gleich los. Schließlich wendet sich das Rad auswärts. Ich finde einen Radweg, der durch einige Parks und Grünanlagen aus der Stadt führt - westlich am Holmenkollen vorbei. Und nach 15 km bin ich schon im richtigen Norwegen, in den Bergen, an Seen und immer die roten Häuser mit den weißen Fenstern. 

Auf Schotterpisten geht's steil rauf. Es sind viele Wanderer und Biker unterwegs - es ist Wochenende. Den Weg aus den Bergen nach Hønefoss zeigt mir eine radelnde Familie, die gerade denselben Weg nimmt. 

Dann noch paar Straßenkilometer bis zu einem sehr kleinen, familiären Zeltplatz am Køderen-See. Ich konnte sogar in Euro bezahlen und hielt als Wechselgeld meine ersten Kronen in der Hand.

Als ich aus den Bergen runterdüse, steht unten am Fjord als erstes ein kleiner Lebensmittelladen. Er wirkt so einladend, dass ich gleich ein paar Dinge einkaufe und mir ein Softeis bestelle. Ich wundere mich ein wenig über die große Auswahl - beim Softeis ist das ja nicht üblich - und wähle Mango. "Bitte in der Waffel, nicht um Becher". "Geht klar!" (So oder ähnlich im schlechten Englich) Dann erkenne ich die bitterböse Wahrheit: der junge Verkäufer holt einen sehr stabilen Plastebecher mit der Mangoeisportion aus seinen Vorräten, schließt den an seine Maschine an und vorn strömt das Softeis in meine Waffel. Mir rutscht ein "That is crazy. All these plastic!!!!" raus. Das Eis nehme ich dann trotzdem. Kaffeekapseln sind nichts gegen diesen Wahnsinn und ich bin schwer enttäuscht. 

Sonntag, 26.06.2022

Noresund / Ål - 140 (980) km

WETTER - bedeckt - Regenschauer - mäßiger Rückenwind

Wegen angekündigtem Regen sollte das ein Ruhetag werden. Nun kommt die Masse des Regens erst ab heute Nachmittag, v.a. aber morgen. So dass ich schnell zusammenpacke und losdüse, um dem Wetter paar km abzutrotzen. 

Am Ende sind es 120 km, leider 20 km davon als Umweg. Ich hatte den wirklich kleinen Hinweis am Radwegweiser übersehen, der mir mitteilen sollte, dass die Brücke 10 km weiter oben im Bau ist und es sich demnach um eine Sackgasse handelt. Ich habe mich etwas geärgert und gelernt, dass genauer hinschauen besser ist, als durchrasen.

Ansonsten war es ein Arbeitstag. Einige km auch im (warmen) Regen. Am Ende bin ich nun am Fuß der Hardangervidda, bzw deren NO-Ecke und will morgen ausruhen und übermorgen bei schönstem Wetter drüber weg und gleich wieder runter zum Sognefjord.

Montag, 27.06.2022

Ål - Ruhetag

WETTER - bedeckt - Dauerregen - windstill

Ich warte, ich wasche Klamotten - die morgen am Rad trocknen sollen, schreibe am Blog .....

Fühlt sich schon nach einem Regentag alles etwas klamm an. Ich hoffe, dass mir ein Mehrtages-Dauerregen erspart bleibt und immer mal die Sonne zum Trocknen da sein wird.

Dienstag, 28.06.2022

Ål / Finse - 90 (1070) km - 1000 hm

WETTER - Bewölkung abnehmend - trocken - mäßiger Gegenwind - 20 / 5 °C


Ich muss damit anfangen, dass ich heute Abend einen Traum-Schlafplatz für mich habe. Bei noch 20 Grad (nachts wird 5 Grad, aber ich habe mit meinem Schlafsack keine Bedenken) und Sonne genieße ich die Aussicht auf Berge, Gletscher, einen großen halbvereisten See, Felsen, Moose und Flechten.
Ich bin auf ca. 1200 m Höhe - der "Ort" Finse, ebenfalls im Blick, wenn ich die "Tür" aufmache, ist die höchste Bahnstation der Bahnstrecke Oslo-Bergen. 2017 habe ich hier sehnsüchtig aus dem Zugfenster geschaut.

Leider ist es noch so früh im Sommer, dass die nächsten 30 km Weg wegen Schnee nicht passierbar sind. Das ist an sich ein Schotterweg, wie schon meine heutigen letzten 30 km, wird aber hinter Finse nicht mehr geräumt. So habe ich eine gute Ausrede, morgen die 30 km bis Myrdal mit dem Zug zu fahren. Aber ich greife vor.

Meinen Wetterangaben habe ich ab heute noch die Temperatur (max/min) hinzugefügt. Da das bis jetzt keine Rolle spielte, habe ich das vergessen. Die Norweger haben mit www.yr.no übrigens eine gute Wettervorhersage, so dass ich mich gut mit meinen Planungen nach dem Wetter richten kann.

Heute sind auch die ersten 1.000 km voll gewesen, zumindest auf meinem Tacho. Und das erste Mal richtig bergan, reichlich 1.000 hm, womit ich aber keine Probleme hatte. Niedrigen Gang wählen und geduldig die Höhenmeter wegkurbeln. Übermorgen Richtung Jotunheimen geht es wieder schön weit hoch. Dazwischen auf Null runter, zum Sognefjord.

Auf den heutigen 1.000 hm hat sich immer wieder die Landschaft verändert und wurde immer kahler. Meist kam ich über eine Anhöhe und war wieder in einer neuen Welt. Mittendrin die typischen Fjelllandschaften - zuerst mit niedrigen Birkenwäldern über mit Farnen bedeckten Felsböden, später nur noch Moose und Flechten.

Heute habe ich auch feststellen können, dass wohl jeder Norweger seine Hytta hat. Schon vor 50 km war die letzte richtige Ortschaft, aber Hütten stehen bis oben ins Fjell massenhaft in der Gegend rum. Kann jeder bauen, wo er will - fragt sich der deutsche Architekt?

Mittwoch, 29.06.2022

Finse / Solvorn - 70 (1120) km - 500 hm

WETTER - heiter - trocken - bisschen Wind



Ich muss zur Fahrt durchs Gebirge (28.06.) noch ergänzen: Wasser, Wasser, Wasser ...! Auf den ganzen letzten 20 km ein ständiges - mir manchmal fast bedrohliches - Tosen und Donnern. Selten mal ein sanftes Rauschen. Von allen Seiten stürzen Wasserfälle ins Tal oder schlängeln sich Bäche durch die Wiesen. Die Wiesen oder Ebenen sind selbst eigentlich nur kleine Restflächen um unzählige große oder kleine, meist flache Wasserflächen mit unbeschreiblich klarem Wasser. Und wo sich das Tal verengt krachen die Wassermassen ohrenbetäubend durch das Nadelöhr.
Also ich war davon schwer mitgenommen und auch ein Stück überfordert.

Heute morgen rolle ich vom meinem Traumplatz mit Blick auf Schnee und Eis bei schönstem Wetter noch 1 km zum Bahnhof Finse und nehme für 30 km den Zug.
In Myrdal steige ich aus und bin am oberen Ende des Flamsdal - eines der absoluten Norwegenhighlights. Entsprechend der Bahnhof voller Touristen, die vom Fjord unten mit der berühmten Flamsdalbahn hier hoch fahren und wieder runter (oder runter laufen).

Ich habe mich mit dem Rad hochgearbeitet und darf nun runterrollen. Was dauert, wegen der Fotopausen. Das Tal ist wirklich großartig - v.a. wieder wegen der Wasserfälle und dem Fluss im Tal.

Am Talboden schaue ich in ein kleines Holzkirchlein rein und versuche mir die Atmosphäre und die Glaubenswelt im Tal in früheren Jahrhunderten vorzustellen und denke kurz über die extrem unterschiedlichen Empfindungen nach, die diese Kirche in mir weckt im Gegensatz zum aufstrebenden gotischen Dom in Havelberg. In der kleinen Kirche bin nur noch ich und .......

Ganz unten am Fjord bin nicht nur ich. Es wird gerade ein Kreuzfahrtschiff ausgekippt. TUI hat den Fjord gebucht - vom Fjord ist vor lauter "Schiff" nicht mehr viel zu sehen. Aber mit Flamsdal(bahn) und Auerlandsfjord und v.a. dem benachbarten Naroyfjord den man durch einen Tunnel mit Busshuttle erreicht und von dort eine Fjordrundfahrt zurück nach Flam machen kann, wird hier wirklich was geboten. Ich meine das auch ernst. Wir waren 2017 im Naroyfjord und Auerlandsfjord - es ist sehr sehr schön.

Ich nehme von Flam das Schnellboot Richtung Bergen. Aber nur 2 Stationen und bin nach 1 Stunde im großen Sognefjord und steige in Leikanger, am Nordufer des Sognefjord wieder aus. Leider findet man solche Schiffsrouten nicht zentral irgendwo im Netz. Ich habe es durch Zufall kurz vor knapp irgendwo in einem Internetbericht gefunden. Vielen Dank an Unbekannt.

Auf dem Boot ein anderer Nordkapradler. Wir werden nicht ganz warm, aber müssen wir nicht: er will nach Westen, mehr an der Küste lang, ich erstmal nach Osten.

Jetzt würde ich gern noch km machen!!
Aber ach, mich bremst die nächste Fähre aus, die ich nach 40 km radeln um 19 Uhr noch nehmen will. Um die Zeit fährt sie nicht mehr.
So stehe ich im Hafen von Solvorn und könnte umdrehen und am nördlichen Fjordufer noch paar km weiterfahren.

Aber SOLVORN !!! Ich bin gleich gefangen von Dir und suche ohne viel hin und her nach dem Zeltplatzschild, an dem ich vorbeigeradelt war. Ich finde den "Zeltplatz", melde mich an und bin noch mehr verzaubert.

Solvorn ist erstmal ganz rational ein kleiner Sackgassenort am Fjord, den man aus ca 300 m Höhe über eine steile, ca 3 km lange Stichstraße erreicht - ich meinerseits, weil ich mit der dortigen Fähre wieder auf das Südufer - nach Urnes wechseln wollte. Dort steht die älteste Stabkirche Norwegens, die ich mir dann schon auch anschauen wollte. Aber das wird nun erst morgen.

Solvorn wirkt abgeschieden, kleine weiße Holzhäuser, ein gediegenes, dem Ortscharakter angepasstes Hotel, ein örtlicher Badestrand, ein kleiner Hafen, an der kurzen Straße kurz vor der Hafenkurve das Cafe samt Tante-Emma-Laden, den gerade eine hübsche Spät-50erin abschließt, nebenbei im Schwatz mit einer Freundin ...... Na wer fühlt sich ertappt, dass er das alles schon mal sonntags bei ZDF .... ich kann seit heute bestätigen, dass es das wirklich gibt.

Nun und der "Zeltplatz" bzw Hostel? Supernettes Pärchen um die 40. Hanggrundstück - logisch. Mit kleinem Gartenbau ("im Gemüsegarten kannst Du Dich bedienen"), Apfelbäumen, Schäfchen und einer kleinen Beerenplantage. In der Rezeption gibt es selbstgemachten Apfelsaft und Marmeladen. Leider sind die Preise für mich dann doch zu hoch.
Und es ist vielleicht Platz für 12 Zelte und innen mag es noch 5 Hostelzimmer geben, so dass es superfamiliär ist.
Für mich der absolut beste Zeltplatz, den ich je .... naja jedenfalls mindestens Top 5.
Und um die Werbung zu komplettieren: man kann von hier aus, mit Auto, einiges anstellen. Norwegens älteste Stabkirche, irgendwo zum Jostedalsbreengletscher oder mal hoch ins Sognefjell.

Ich hatte bestimmt einen der schönsten Abende auf meiner Reise und habe auf bestem englischem Rasen richtig gut geschlafen.

Vorher, das kann ich auch nicht vorenthalten, war ich nochmal unten am Hafen. Sitze auf einem Steg und darf belauschen, wie 5 m neben mir das junge Küchenpersonal des erwähnten Hotels nach getaner Arbeit - es ist sicher schon nach 23 Uhr - noch ein paar Nachtischreste genießt und sich darüber austauscht, wie das Essen gelungen war.
Eines der Mädchen träumt davon, selbst Eissorten herzustellen anstelle einzukaufen, der Koch fragt das andere Mädchen, wie Sie denn die knusprige Decke des Gebäcks, das sie gerade genießen, gemacht habe ...
So oder ähnlich, in Englisch. Manches mag auch anders gewesen sein.

Gute Nacht!!

Donnerstag, 30.06.2022

Solvorn / 30 km vor Lom - 80 (1210) km - 2000 hm

WETTER - heiter - trocken - mäßiger Rückenwind

Fast perfekt, aber etwas zu heiß für einen Tagesritt, vor dem ich selbst Repekt habe. 

Deshalb nach schwerem Abschied von SOLVORN und kurzer Fährüberfahrt der Gang zur ältesten Stabkirche Norwegens? Nein, natürlich interessiert mich die Kirche an sich. Um es kurz zu machen: kleine Kirche und viele Touristen (wie ich). Ich werde mich anderweitig nochmal schlau machen. Atmosphäre aufnehmen war jedenfalls nicht möglich und so habe ich mich auf den Weg gemacht. 30 km am Südufer auf flacher Stecke weggeradelt, in Skjolden eingekauft und ein Päckchen nach Hause geschickt (die anderen Radler haben soviel weniger Gepäck. Ich musste da was machen. Es sind ca 500 g zusammengekommen).

Noch ein Foto am Ende des Sognefjordes - das Foto gibt es von 2017 mit Uta.

Dann aber sind die Ausreden aufgebraucht und es muss losgehen. Von Null auf 1434 m (oben die 2000 hm beinhalten alles was sonst noch so dazukam). Ich habe vergessen wie, aber es ging. Am frühen Abend bin ich oben im Sognefjell auf ca 1300 m in Schnee und Eis. Auf der Hochebene geht es in leichtem Auf und Ab ca 20 km dahin und dann in steiler Abfahrt Richtung Lom wieder 1100 m runter. 

Eis und Schnee hatte ich ja 2 Tage vorher schon. Hier hat es mich noch mehr beeindruckt. Aber da würde ich später gern Fotos sprechen lassen.

Die Straße übers Sognefjell übrigens nicht zu stark befahren - vielleicht auch, weil es gegen Abend ging. Ich konnte es auch deshalb gut genießen.

Und viele Wohnmobile hatten sich oben schon einen Nachtplatz gesucht. Ich hatte das auch überlegt, aber mein Zeitplan ... ! So habe ich unten im Tal wild gezeltet. 

Wenig zu schreiben, aber ein toller Tag - grandiose Natur und eine der schwersten Etappen doch ganz gut abgearbeitet.