Mittwoch, 10.08.2022

Tampere / Oripää - 120 (5400) km

WETTER - sonnig - trocken - mäßiger Gegenwind

Ergänzungen, die ich nicht vergessen möchte:

Vor 3 Tagen überholt mich am Abend ein Geländewagen mit Mtorrad auf einem Anhänger. Im Flow hatte ich glücklicherweise keine Zeit für meine üblichen Vorurteile. Hinter der nächsten Kurve wartet er auf mich in einer Parkbucht und fragt mich nach meiner Tour usw. Schließlich bietet er mir eine Übernachtung im großen Garten seines Cousins, ca 3 km zurück, an. Eine schöne Begegnung. Das Angebot habe ich nicht angenommen, da ich noch ein Stück näher nach Tampere heran wollte.

Und in Tampere hat sich die von mir andernorts kritisierte Stadteinfahrt als Glücksfall herausgestellt. In einem Vorort steht da zufällig eine wunderbare, neu gebaute, recht große Kirche. An sich sehr schön als Bauwerk, war es dann auch erquicklich, den sehr jungen Pastor zu treffen und bisschen über Luther, Sachsen und gemeinsame Kirchenlieder zu sprechen. Die Kirche selbst hat mich noch mehr angesprochen, als die modernen Kathedralen in Tromsø und Alta, weil sie vom Anspruch etwas "normaler" wirkte und trotzdem einen starken Eindruck hinterließ.  Mit ein paar Einschränkungen, wo ich gestalterische und künstlerische Elemente nicht nachvollziehen konnte bzw störend fand. Vor allem war hinter dem Altar kein Kreuz an der Wand, sondern ein überlebensgroßes Jesus-Gesicht halbtransparent auf Milchglas mit merkwürdig ausdruckslosem, weder leidendem noch freundlichem Gesichtsausdruck schaut er jedem Besucher direkt in die Augen. Für mich recht unangenehm und vor allem distanzierend anstatt Beziehung herstellend. Schade!

Und durch den Kopf gehen mir ab und an schon Optimierungen für eine zweite Tour zum Nordkap  ;-)

Zum Beispiel nur Rauffahren und dann Rückflug oder mindestens 1000 km in Finnland mit dem Bus abkürzen. Auf jeden Fall mit einer Bootsfahrt vor Tampere. Und evtl mit dem Zug rein nach Trondheim / Kopenhagen oder anderen Großstädten (die Stadteinfahrten sind einfach unattraktiv und sehr anstrengend).

Ja. Von Tampere nach Turku, an der SW-Ecke von Finnland, sind es nun noch 2 Tage und es mischen sich Erleichterung, dass ich es durch Finnland geschafft habe, mit Wehmut über den Abschied von Skandinavien als das eigentliche Reiseziel.

Der Gegenwind kostet mich die 17,00 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Die werde ich in Finnland nicht mehr schaffen. Was für mich daran aber wichtiger ist: ich weiß jetzt nochmal deutlicher, was für ein Glück ich mit dem Wind hatte und dass die Windverhältnisse - bei mir - die Reisegeschwindigkeit und vor allem die Motivation extrem beeinflussen. Mindestens wie Dauerregen, vielleicht sogar stärker. Hier hülfe (??? ;-) ein Partner, mit dem man abwechselnd dem Wind die Stirn bieten bzw im Wimdschatten fahren könnte.

Landschaftlich wie gehabt, bei schönstem Wetter und immer intensiverer Landwirtschaft. Es scheint die Kornkammer Finnlands zu sein. Eine Freude ist es, die großen gepflegten Bauernhöfe zu sehen. Meine Vermutung, dass in den fast fensterlosen, künstlich belüfteten Ställen Schweinefleisch "produziert" wird, dämpft die Freude aber auch wieder. Im Gegensatz zur Milchviehhaltung hört bei mir bei "industrieller" Schweinehaltung der Spaß auf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da auch nur ein klein wenig Lebensqualität für die Tiere (und Schweine sollen ja recht intelligent sein - so wie unsere Jugend, die auch immer weniger Tageslicht benötigt? ) möglich ist, lasse mich aber gern belehren.

Nachmittag mache ich mal eine Hamburger-Pause. Die weibliche Bedienung in meinem Alter ist sehr sehr freundlich, jawohl! Leider spricht sie kein Englisch. Trotzdem fühle ich mich wohl und auf der Terrasse ist es schon dicht gedrängt mit einheimischen Männern wo ich mich einfach dazwischen zwänge, dem Plausch lausche und am Ende von einem der Jüngeren auf englisch noch etwas ausgefragt werde.

10 km vor dem geplanten Tagesschluss komme ich plötzlich auf eine Hochebene, höchstens 30 m über den umliegenden Kornfeldern, uns radeln unvermittelt wieder durch einen Wald, wie er im Norden von Finnland typisch war: grobsteiniger bzw felsige Boden, von Flechten und Moosen und Heidekraut überzogen und die Kiefern wieder kleinwüchsiger und auch am unteren Stammbereich.mit Flechten bewachsen. Ich beschließe einfach hier zu übernachten, weil das für.mich ein schöner Abschied ist. 

Zu allem Überfluss steht an der Stelle, an der ich anhalte, ca 50 m im Wald ein Grillplatz mit Feuerstelle. Also volle Finnlanddröhnung an diesem Abend mit kleinem Feuer und - es gibt hier keine Mücken - Schlafen auf der breiten Sitzbank der Grillplatzüberdachung.

Am nächsten Morgen merke ich, dass der Platz zu einem Freizeitparcour der besonderen Art gehört, wie ich sie schon mehrmals gesehen habe: ein Frisbeeplatz. Ähnlich wie auf einem Golfplatz, aber im Wald, sind hier Frisbeewürfe zu absolvieren. Von festgelegten Standpunkten aus sind unterschiedlich weit entfernte Einwurfkörbe (Durchmesser ca 50 cm / Wurfweite zB 30 m) zu treffen. Für mich völlig unvorstellbar, dass das funktionieren soll.