Freitag, 12.08.2022

Turku Fährterminal Silja Linen - 5500 km

WETTER - sonnig heiter trocken - Wind egal

An der Fähre stehen ist für mich wie am Flughafen. Ich wollte ergänzen " aber ohne schlechtes Gewissen ", aber ich bin nach längerer Internetrecherche nicht sicher. Über den CO2-Ausstoß der großen Ostseefähren ist nichts rauszubekommen. Vielleicht nicht ohne Grund.

Am Terminal bin ich aber erstmal ganz im Fährfieber. Leider kein anderer Radfahrer, mit dem ich das teilen kann. Es geht übers Meer, in ein anderes Land und wegen der Meerüberfahrt auch oft in eine etwas andere Welt, eine andere Kultur. Es ist keine simple Grenzüberquerung. 

In Turku legt also gerade meine "Baltic Princess" an und in 1 Stunde geht es ab durch den Schärengarten nach Stockholm. In einer 4er Innenkabine - das wird weniger ein Spaß, aber ich werde mich einfach lange an Deck rumtreiben. 

Turku ist wie Tampere eine wirklich tolle Stadt. Etwas größer noch und mit dem Plus der Hafenstadt. Aber vorweg: von Kopenhagen war ich auf der Hinreise erschrocken, wie überfüllt die Stadt war. Hier in Turku tritt man sich noch lange nicht auf die Füße und das macht es zusätzlich sympathisch und vermutlich noch authentisch. 

Programmpunkt Eins war die Ökumenische Kunstkapelle Turku (etwas außerhalb von Turku). Ein sehr beeindruckender schlichter Raum aus Holz. Gern mal selbst googeln oder bei Wikipedia nachschauen (dort ist ein wenig verzerrtes realistisches Innenraumfoto zu finden).

Nur ein richtiges Kreuz an der Altarwand fehlte mir. Ich fühlte mich nicht wir in einer Kirche, sondern wie in einem Meditationsraum. Und ich glaube, dass die Kapelle auch keine richtige Gemeinde hat, das spürt man leider. 

Zweitens muss ich wieder in einer anderen Stadtecke in einem Copyladen (gibt in Turku davon nicht so viele wie in der Dresdner Neustadt) die Fährtickets ausdrucken. Die Fähre nach Polen akzeptiert keinen digitalen Nachweis und in Stockholm ist mir das für einen Samstag zu riskant.

Drittens noch ins Kunstmuseum, aber auf dem Weg dorthin komme ich am Sibeliusmuseum vorbei. Na gut, dann keine Kunst sondern Musik. Als Sibeliusfan muss ich das Museum besuchen, zumal es als modernes Bauwerk ebenfalls meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Ein schöner Stahl-Beton-Pavillon, vermutlich aus den 90ern.

Das Bauwerk hält, was es auf den ersten Blick versprochen hat, vom Museumsinhalt bin ich eher enttäuscht. Ich kann sicher aufgrund der Sprachbarriere nur beschränkt den Inhalt verstehen, aber es sind nur wenige Fakten zu Sibelius und noch einiges zu diversen ausgewählten, zum Teil exotischen Musikinstrumenten.

Bleibt noch Zeit für Einkäufe - das Rad mit Gepäck einfach vor den Läden in der Fußgängerzone stehen zu lassen ist mit nicht einerlei, zumindest die Tasche mit Kamera und Geld nehme ich immer mit - und ein letztes Mal für "Kahvia ja Munkki" (Kaffee  und eine Art Berliner/Pfannkuchen). Dafür habe ich mir beim Hin- und Herradeln schon eine Imbissbude an einem Brückenpfeiler mit Blick auf die belebte und schöne Uferpromenade ausgesucht. Ich habe Glück, 10 Minuten später macht der Stand zu, es ist schon kurz vor 18 Uhr.

Als ich mein Geschirr zurückstellen und auf Nachfrage dem Munkki bescheinigen, dass er ausgezeichnet war, kann ich mich nicht enthalten, dem Standbetreiber, der schon am zusammenräumen ist, zu erzählen, dass das hier ja mein letztes Mal mit "Kahvia ja Munkki" ist, weil ich mit dem Rad vom Nordkap komme und gleich auf die Fähre gehe. Da rennt er gleich zu seinem Stand  und packt mir noch 3 Munkkis ein und schenkt sie mir. Worauf ich unbedacht verspreche, dass ich wiederkommen werde.

An der wirklich beeindruckenden und vor allem nicht übervollen  Uferpromenade kann ich noch einiges Stück Richtung Fähre spazieren und habe so passenden Ausklang meiner Finnlandreise.

Nun, der wird natürlich erst komplett, als sich die Fähre durch die Schären ihren Weg zur Ostsee sucht. Von weit oben (Sonnendeck ;-) auf die Schären und die Häuser und Boote zu schauen ist wie der Blick auf eine Modelleisenbahn oder aus einem Heißluftballon. Dazu die ungetrübten Abendsonne.

Und eine 4-er Innenkabine nur für mich allein. Was für ein Abschied von Finnland und Skandinavien. 

Im Duty-Free-Shop - ja die Fähre ist leider ein fahrender Einkaufs- und Vergügungstempel - lauerte noch die Verführung eines 2019er argentinischen Malbec (Rotwein). Aber ich habe widerstanden. Wein erst wieder zu Hause auf dem Balkon oder bei unserem Peru-Italiener auf der Rudolf-Leonhard.