Montag, 04.07.2022

Stangvikfjorden / Orkanger - 120 (1690) km - 700 hm

WETTER - sonnig - abends Schauer - mäßiger Rückenwind 

Mit dem Wind habe ich bis jetzt richtig Glück. Ich werde mich umsehen, wenn sich das mal ändert. Aber vielleicht habe ich ja die Hauptwindrichtung im Rücken. Ich habe das vorab nicht intensiv recherchiert, da zB die umgekehrte Fahrtrichtung (erst Finnland, dann Norwegen) überhaupt nicht zur Debatte stand. Bauchgefühl.

Von der Bushaltestelle, in der ich geschlafen habe - und an der mich glücklicherweise morgens keine Fahrgäste überraschten - rolle ich 3 km runter zum Fjord und nehme eine zeitigen Fähre auf der mich ein sejr sympathischer Norweger anspricht. Leider ist die Überfahrt sehr kurz (für mich wieder kostenlos), so dass ich von ihm nur erfahre, dass er auf den Lofoten aufgewachsen ist und jetzt hier unten lebt. Er arbeitet als Melkanlagen-Servicetechniker und da hätte ich gern bisschen mehr gefragt.

Ich habe noch angesprochen, dass die Aussprache selbst einfacher Worte, wie HURTIGRUTE, so schwer ist, dass ich oft nicht verstanden werde. Er meinte selbstkritisch, dass Norweger durchaus kontaktunwillig sein können und manches nicht verstehen wollen. Trifft sich bisschen mit meinem Eindruck, dass es oftmals mit der Kontaktfreude nicht so weit her ist.

Für eine Klärung der sonntäglichen Menschenleere war auch keine Zeit. 

Ich wollte heute nach Trondheim. Nach der Fähre habe ich deshalb mal Hostels gecheckt oder andere feste Übernachtungen. War mir alles zu teuer. Ich werde nahe Trondheim campen und morgen früh "rein" fahren. Außerdem habe ich mich per Telefon mit einem Fahrradladen in Trondheim zum Durchchecken verabredet. Bringe mein Rad morgen 11 Uhr vorbei und hole es nach dem Stadtbummel abends wieder ab und fahre weiter.

Aber das ist morgen. Heute ratze ich erstmal schnell den Rest bis Trondheim weg, dachte ich. Ging aber schwer, es war wohl gestern zu spät. 

Die Strecke steigt in einem flachen Tal leicht an, führt über einen kleinen Pass und geht dann nach Orkanger - ein Städtchen 35 km vor Trondheim und ebenfalls am Trondheimfjord gelegen.

Teilweise nehme ich die Hauptstraße, streckenweise auf der anderen Flussseite die Nebenstraße. Das ist viel gemütlicher. Wie gestern: keine Hytta mehr,  stattdessen Bauernhöfe, die sich eigentlich immer gleichen. Sehr gepflegt, teilweise werden Flächen wohl durch Nachbarn bewirtschaftet, so dass Ställe und Scheunen nicht mehr bei allen Höfen ihrem ursprünglichen Zweck dienen. Aber offensichtlich viel kleinteilige private Grünlandwirtschaft mit Milchviehhaltung im Stall oder auch Freiland. Düngung mit dem Jauchewagen frei von der Leber weg - ich glaube, das geht bei uns so nicht mehr. Vor allem kurz vor dem Regen, der die Jauche schnell vom Hang in die Gewässer schwemmt?? 

Neben der Viehwirtschaft habe ich noch Anbau von Kartoffeln und Gerste registriert. Wenn soviel Milch gemacht wird, muss ich mehr (regionale) Milch kaufen? Ist das gut zum Radfahren? Eine Frage, die ich mir mal bei Google beantworten lassen werde.

Obwohl es nicht so rund lief, habe ich doch gegen Abend eine Alternativroute durch die Berge (oder eher "Hügel" - im Vergleich zu den Tagen zuvor) gewählt um der Hauptstraße zu entkommen. Waren 300 hm zusätzlich, die sich aber auf jeden Fall gelohnt haben. Ruhiger aber nicht einsam, da sich in diesen "Höhen" die Gehöfte überall verteilen. Viel Wald, dazwischen Höfe mit ihren umliegenden Grünlandflächen. Wo immer jemand vor Jahrhunderten eben auf die Idee kam, etwas Land urbar zu machen. Ich musste an Knut Hamsun - den romantischen norwegischen Nationaldichter und seinen Roman "Segen der Erde" denken.

Abends schaffe ich es noch bis ca 15 km hinter Orkanger und lasse mich dann von einer Campingplatzausschilderung verführen. Wenn ich morgen Stadtrundgang und natürlich einen Dombesuch machen möchte, dann gern etwa gepflegt. Das ist Ausrede genug.

Dass Martin auf seiner Norwegentour fast nur wild gezeltet hat, setzt mich etwas unter Druck. In mancher Hinsicht ist das "Alte Gerät" eben ein anderes Kaliber, denke ich mir dann und das macht mich ein Stück frei, meine eigenen Entscheidungen  zu treffen.

Es ist inzwischen kalt und regnerisch. Ein kurzes Gespräch mit dem Radfahrer auf dem Zeltplatz neben mir - ein Italiener (Rom), der in Bergen gestartet ist und morgen in Trondheim seine Tour planmäßig beendet. 

Für mich wird es nur ein Zwischenstopp. Abends will ich raus aus der Stadt und noch mit der Fähre auf die andere Seite des Trondheimfjords übersetzen. Allerdings ist für die nächsten Tage viel Regen angesagt. Schade! Ist meine Glückssträhne vorbei? Wenigstens sollen sich wohl die Regenmengen im Ragmen halten.  Also entweder bei Nieselregen durchradeln oder mal einen Schauer irgendwo aussetzen.

Mal schauen. 

Noch zum Italiener: diese Begegnungen sehe ich auch als Vorteil der Campingplatzübernachtungen. Ansonsten kommen mir tagsüber schon ein oder zwei Radler mit Gepäck entgegen, offensichtlich auf großer Tour. Aber i.d.R. ist man gerade am km-machen oder der eine kämpft sich bergauf, der andere freut sich über seine Abfahrt und so grüßt man sich nur (sehr freudig). An Anhalten denkt da beim besten Willen keiner von beiden.