Sonntag, 17.07.2022

Matmora / 20 km vor Insel Andøy - 120 (2800) km

22.07.22 - nur Korrektur km-Stand auf 2800 km

WETTER - bewölkt - einige Regenschauer - guter Rückenwind

Nach der Zeltnacht zeigt sich der Matmora weiter wolkenverhangen, so dass kein Anlass besteht, über einen nochmaligen Aufstieg nachzudenken. Aber unter den Wolken hindurch ist es ein schöner Blick auf gegenüberliegende Berge, das Tal und einen begrenzten Teil der Meeresküste.

Auch in Anbetracht meines Vorsprungs und meiner Vorliebe für Wanderungen bei durchwachsenen Wetter habe ich keinen Grund, diesen zweiten Bergausflug zu bereuen. Ich steige gemütlich ab und auch diesmal stehen Fahrrad und Gepäck noch hinterm Busch. 

Es sind noch 30 km Lofotenküste bis zur Fähre in Fiskebøi. Abseits der Küste findet sich ein privat errichteter, moderner, für alle zugänglicher Aussichts-"Pavillon". Ein kleines Juwel für Architekten. Aber ein Zufallsfund - ich bin auf meiner Fahrt bestenfalls nachrangig als Architekt unterwegs, geschweige, dass ich mich in diesem Sinn vorbereitet und eine Liste von Bauwerken abzuarbeiten hätte. 

10 km vor der Fähre überhole ich 2 Schweizer Damen um die 60. Im Vorbeifahren schwant mir nichts Gutes: Sie fahren mit E-Bikes. Da ich mich nun wiederum nicht überholen lassen möchte, habe ich jetzt an jeder Steigung zu tun, einigermaßen Tempo zu halten um die Damen nicht zu sehr herankommen zu lassen. Unnötig verschwitzt und zu zeitig komme ich an der Fähre an, die Verfolger im Rücken. 

Am Fähranleger verabschieden sich die Lofoten nochmal zünftig mit steilen Felswänden, einem lieblichen natürlichen Hafenbecken, Fischerhütten, ein alter Fischerkahn und dahinter ins Land hinein ein kurzer Talkessel hinter dem das Gebirge wieder auf knapp 1000 m aufragt. 

Nach der Überfahrt beginnen die Vesterålen - als nächste Inselgruppe mit dem Hauptort Stokmarknes, den wir (kurze gemeinsame Strecke mit einem Niederländer) schon nach 15 km auf der ersten Insel erreichen und wo ich in einer Abendpause den restlichen Regen in einem Pub abwarte und zu Abend esse. Der Pub liegt unmittelbar neben dem Hurtigrutenmuseum, das ich besuchen wollte, das aber schon geschlossen ist. 

Ab 22 Uhr soll das Wetter endlich stabil trocken werden und nach Mitternacht die Wolkendecke auflockern. Eventuell wird auch ein bisschen Sonne durchkommen. Darauf spekulierend habe ich noch 70 bis 80 Nacht-km geplant. Es ist auch eine Erinnerung an 2017, als die Nacht auf dem Schiff zwischen Lofoten und Vesterålen für mich einer  der beeindruckendsten Abschnitte der Reise war, geprägt von einer besonderen Lichtstimmung (Sonne knapp unterm Horizont, wenig Wolken), glatter See und den Gebirgszügen, die überall aus den Wasser aufsteigen. 

So schön es damals war, etwas "verbraucht" ist damit dieser Abschnitt. Denn auch wenn ich auf gutes Wetter spekuliere, in der Regel ist ein erster Eindruck nicht zu wiederholen. Grundsätzlich sind die Vesterålen aber für mich auch spannend, weil gegenüber den Lofoten unbekannter und nicht so geläufig und im Namen schwingt für mich mehr nordischer und etwas mystischer Klang. Und sie liegen ja auch nördlicher und sind damit zumindest gefühlt stärker den arktischen Witterungsverhältnissen ausgesetzt. Auf den Fotos von 2017 ist ab den mittleren Gebirgslagen viel Schnee zu sehen, heute sind die Berge fast komplett schneefrei. Ich bin aber auch 2 Wochen später im Jahr hier unterwegs. 

Die ersten 50 km Vesterålen-Stecke sind dann aber komplett besiedelt. Erst im Norden von Hinnøy wird die Bebauung spärlicher und Weiden weichen Naturflächen, was dann in der Regel feuchte, moorige Ebenen sind. Zu Wiesen und Weiden urbar gemachte Flächen liegen jetzt eher vereinzelt - meist zwischen Straße und Küste - mitten in den extrem feuchten Naturflächen. Ins Land hinein ragen lange weite Talböden, von denen man annehmen kann, dass sie feucht, moorig und bisher oft unbetreten sein dürften. Das macht einen sehr ursprünglichen und im Dämmerlicht und unter einer dichten Wolkendecke sehr starken Eindruck. 

In diesen Gebieten ist keine Zeltstelle zu finden. Alles zu nass und der Boden zu nachgiebig. Aber plötzlich tauchen an der Küste wieder Streusiedlungen auf mit urbar gemachten Flächen. Dort findet sich eine feste Zufahrt zu einer Wiese auf der ich mit schönem Fjordblick nächtigen kann (wobei die "Nacht" ja schon fast vorbei ist).