Freitag, 08.07.2022

Kolvereid / Horn - 120 (2120) km

WETTER - bewölkt - wenig Regen - guter Rückenwind

Noch ein Regentag ist vorhergesagt, bestenfalls Besserung am Nachmittag oder Abend. Aber schon früh ist es freundlicher als gestern, mit einigen Wolkenlöchern und mal kurz schaut die Sonne aufs Zelt. Und so ist der Tag zwar auch regnerisch, aber viel besser als gestern. Dazu starker Rückenwind, was ich besonders merke, als ich an einem Fjord auch mal die Gegenrichtung nehmen muss und mit der Wind von vorn ordentlich was abverlangt. 

Ich vermute, dass hier der Südwest schon eine Hauptwindrichtung ist, was Radfahrer, die die Gegenrichtung gewählt haben, ziemlich viel abverlangt. Immer wieder mal denke ich da auch an Martin. 

Gestern bin ich ja schon über die 2000-km-Grenze gerutscht. Das heißt, ich hatte mir da als Abendziel gesetzt. Gefeiert habe ich nicht, dass Wetter hast es mir vermiest. Damit habe ich nun schon 1/3 meiner Reise hinter mir, was sich nicht so anfühlt und mir fast ein wenig zu schnell geht. Und wenn ich nur zum Nordkap rechne, bin ich inzwischen mit den 2100 km gefahren und den 1600 km die noch fehlen schon weit auf der Haben-Seite.

Im Übrigen bin ich auch meinen Zeitplan ein gutes Stück voraus, was mich die Tage inzwischen gelassener angehen lässt. Heute morgen bin ich zB auch erst 11 Uhr gestartet und habe sehr gemütlich gefrühstückt und für den Start eine Regenpause abgewartet. 

Endlich hatte ich heute auch bei vernünftigen Wetter Gelegenheit, die Ankunft am Meer zu genießen. Für einen Blick nach Island war die Sicht aber immer noch zu schlecht. Außerdem sind weiterhin oft Inseln vorgelagert, schon deshalb ist mit Island schwierig. Aber das sind die für mich erstaunlichen Breitengrade, auf denen ich hier oben schon bin: mitten in Island eben. Der nördliche Polarkreis, den ich vielleicht Montag überquere, entspricht Islands Nordgrenze, Islands Süden ist auf die Höhe von Trondheim. 

Da Dörfer und kleine Städte hier keine ausgeprägten Siedlungskerne haben oder auch Altstädte fehlen, sind das in der Regel keine besonderen Gelegenheiten, um mal anzuhalten. Demgegenüber registriere ich weiter gern die schon früher beschriebene Weidewirtschaft und Milchviehhaltung auf dem Land. Sehr selten sind Ackerflächen geworden. Ein kleines Feld mit Gerste ist mir heute auch nochmal aufgefallen. Ganz schnell komme ich jedoch bei notwendigen, weiter ins Land und einige Höhenmeter hinauf führenden, Landquerungen auch in unwirtlichen Regionen: Felsuntergründe, mit krüppeligem Birkenbewuchs, Moosen und Flechten. Gegen den, wo übrigens Zeltplatzsuche vergeblich ist, weil man entweder auf Fels steht oder sich in komplett wassergesättigten Böden bewegt. Da ich immer noch mit Flusslatschen und barfuß unterwegs bin, ist das Einsinken im Matsch herrlich unbedenklich und manchmal genieße ich diese Freiheit sogar. 

Von den zur erwähnten Landwirtschaft gehörenden Höfen steht leider auch der eine oder andere zum Verkauf. Manchen sieht man einen gewissen Verfall an. Manche wechseln auch in gutem Zustand und sicher sich zur weiteren Bewirtschaftung den Besitzer. Wie ein herrlich zwischen Küstenstraße und rückwärtige steil aufsteigender Bergwand gelegenes und sehr gediegen wirkendes Gehöft mit Weideflächen bis ans Meer heran und Aussicht - bis Island eben. 

Am Abend habe bin ich wieder in erinnert Gegend, wo alle Untergründe durchnässt sind. So dass ich etwas illegal im Hafengelände von Horn zelte, wo morgen gleich meine nächste Fähre startet. 

Während es für mich an der Küste heute nur begrenzt auf und ab ging, türmen sich landeinwärts wieder stärker und beeindruckender als in den letzten Tagen die Hochgebirge. Das wird bis Bodø auch so bleiben,  wo nochmal ein stark vergletscherter Gebirksstock bis zur Küste heranreicht. Darauf bin ich auch sehr gespannt. 20q7 hast man ihn vom Schiff aus wegen des Wetters nicht gut sehen können.